Wir sind ca. 1 km vor der vermeintlichen Wasserstelle. Ein
metallisches Geräusch, als würde etwas mit großer Gewalt
auseinandergerissen werden - ein Teil eines Landys, das diese
Strapazen einfach nicht mehr mitmachen will - und ein
anschließendes kladönk - kladönk - kladönk ... Oh, verdammt -
irgendwas ist gebrochen :-( ...
Wir laufen alle bei Jürgens Defender zusammen. Was war passiert?
Nach einem kurzen Check stellt sich heraus, das der TD4
offensichtlich nur mehr Vorderradantrieb hat. A lustige
Angelegenheit, da wir ja mitten in den Dünen sind. Wir wissen
noch nicht, was wirklich defekt ist.
Manfred und Jürgen sehen sich die Bescherung von unten an. Nach
der Demontage des Unterfahrschutzes wissen wir alle mehr. Die
hintere Kardanwelle ist am vorderen Gelenk komplett abgerissen.
Und zwar genau am Schmiernippel des Kreuzgelenkes, quasi eine
Sollbruchstelle - das war auch das laute Kladönk - die
Karadanwelle hat praktisch "lagerlos" am Unterboden
angeschlagen. Ok,was soll's, das Teil muss vorerst mal raus und
irgendwie müssen wir das Problem lösen, denn mit
Vorderradantrieb spielt sich mitten in den Dünenfeldern rein gar
nichts ab. Das ist so, als würd´ man von einem Flugzeug
verlangen, ohne Flügel zu fliegen - also, ran an die Arbeit!
Uns ist klar, dass wir diese Nacht wohl hier verbringen werden
müssen, was uns aber angesichts der wunderschönen Gegend nicht
sonderlich schwer fällt. Jürgen setzt sich noch über unser
Iridium Telefon mit der Sud-Assistance (Pannendienst) in Douz in
Verbindung. Hassan meint, er habe eine gebrauchte Kardanwelle
und wenn er sich um 19.00 Uhr auf den Weg macht, so könne er ca.
um 4 bis 6 Uhr morgens mit seinem Unimog bei uns sein. Scheint
ja alles in bester Ordnung zu sein, wir können also in Ruhe am
Lagerfeuer sitzend unser Bierchen genießen, während sich Hassan
mit seinem Unimog den Weg durch die Dünen bahnt. Wir geben noch
unsere Koordinaten durch, dann kann ja nichts mehr schief gehen
Hervorragende Stimmung trotz der Panne
04.11Uhr: unser aller Schlaf ist doch etwas unruhiger als
sonst und so schrecken wir alle hoch, als wir Motorengeräusch
aus der Ferne vernehmen. Oh ja, es hört sich tatsächlich an wie
ein Unimog, der sich über die Dünen quält. Der Schall überträgt
sich in dieser endlosen Weite derart gut, daß es noch beinahe
eine Stunde braucht, bis dann endlich der Unimog in der
Morgendämmerung am Dünenkamm auftaucht. Wir freuen uns riesig!
Hassan und Abdallah gönnen sich noch ein wenig Verschnaufpause,
bevor Sie gegen 7.30Uhr ans Werk gehen. Doch als die Beiden die
Plane zurückschlagen, trifft uns beinahe der Schlag. Wir hatten
einen voll ausgestatteten Pannendienst erwartet, so hatte er am
Telefon den Eindruck erweckt.
Doch außer ein Paar Zangen, einigen Hammern und einer Flex mit
niedergeschliffener Trennscheibe war nicht sehr viel zu sehen.
Ach ja, ein vergammeltes Notstromaggregat war auch noch im
Wagen. Egal, wir brauchen ja nur die Kardanwelle. Mit einem
Grinsen überreicht uns Hassan die Welle... Oh Gott, ein Teil das
mindestens 40 Jahre am Buckel hat und wahrscheinlich von einem
Serie Landrover stammt. Hat mit einer TD4 Welle nicht sehr viel
gemeinsam. Die Welle ist ja viel zu kurz, das einzige was passt
sind die Flansche, da diese nie geändert wurden.
Hassan meint "aus zwei mach eins" wir sollen im vertrauen, er
mache das schon. Vertrauen?? Die beiden brauchen anschließend
eine Stunde, nur um mal das Notstromaggregat in Schwung zu
bringen. Letztendlich gelingt es nur mit einem Startspray von
uns und das Aggregat setzt sich endlich wiederwillig in
Bewegung. Also, das ist ja schon ne gute Basis. Wir ergänzen uns
auf gewisse Art und Weise. Sehr schnell stellt sich raus, das
die niedergemergelte Trennscheibe die einzige ist, welche die
beiden Improvisierkünstler mithaben. Diese reicht gerade mal, um
eine Welle grad noch durchzuschneiden. Was tun wir nun? Der
nächste Baumarkt ist ja nicht grad um die Ecke!
Mathias kramt in seiner Werkzeugkiste rum und findet ein
Sägeblatt. Mit diesem losen Sägeblatt versuchen die beiden
Spezialisten, die zweite Welle durchzuschneiden. Zeit hat in
dieser Gegend einen sehr anderen Stellenwert als bei uns, aber
die beiden werden sich dabei die Finger "wundsägen".
Immerhin stellen sie einen Freihandsägerekord auf, in nicht mal
40 Minuten ist auch die zweite Welle durchgeschnitten. An
Ausdauer mangelt es den beiden nicht ... Hut ab. Jetzt gilt es,
die beiden Wellenteile zu verschweißen und dies natürlich mit
der selben gewohnten Präzision - da sind wir aber mal gespannt
;-)
Eine normale Sonnenbrille reicht Hassan, um seine Augen beim
Schweißen zu schützen. Dem Arbeitsinspektor würd´s a Gänsehaut
aufziehen ...
Einfach verdrängen ist unsere Devise, nicht nachdenken, denn so
sieht das fertige Ergebnis aus. Uns rinnt der kalte Schauer über
den Rücken - dieses schiefe Teil soll sich zum Fortbewegen
eignen? Das soll eine Kardanwelle sein, feingewuchtet wie wir es
gewohnt sind? Hassan meint, das ist gute Arbeit und bis 80km/h
sei das kein Problem. In der Sahara fährt man ja eh nicht
schneller. Meint er - er kann das natürlich nicht wissen, so
müssen wir halt damit leben und das "veredelte" Stück verbauen.
Der Hassan wird's schon wissen, ist schließlich sicher nicht das
erste mal dass er sowas macht. Ein wenig improvisieren sind wir
ja aus unseren vergangenen Touren längst gewohnt, aber das
schlägt einfach wirklich alles Erlebte. Jürgen und Manfred gehen
ans Werk und verpflanzen es voll Optimismus in den TD4.
Hassan und Abdallah beschreiben uns anschließend noch die
ungefähre Lage der Wasserstelle. Sie kann ja nicht mehr weit weg
sein. Wir heften uns noch ein Weilchen an den Unimog. Hassan
hatte Recht, die Welle läuft bis 80km/h seidenweich - ist ja
kaum zu glauben bei dem schiefen Teil. Unser aller Dank an die
beiden, Allah beschütze sie auf ihrem Rückweg. Erst ab 80km/h
wird die Welle ruppig. Also fahren wir halt einfach nicht
schneller.
Endlich, die Wasserstelle ist in Sicht!!!! Zwei Kinder einer
Nomadenfamilie bewachen diese und helfen uns, unsere
Wasserkanister aufzufüllen. Es bedarf ein wenig Übung ,den
Schöpfsack mit Wasser zu füllen und hochzubringen. Unsere ersten
Versuche sind nicht sehr vielversprechend, so überlassen wir
dies den beiden Kindern gelernt ist gelernt.
Wir entlohnen die Kinder nicht mit Geld, sondern mit Speisen,
Süßigkeiten und Kleidung. Ihre Augen leuchten, denn nur selten
kommt hier jemand vorbei. Wir wissen, wie mühsam und hart das
Leben der Nomaden hier ist und doch wollen wir nicht einfach
ohne erbrachter Leistung etwas verschenken. Doch die beiden
haben es sich redlich verdient. Mit gefüllten Wasservorräten
machen wir uns weiter auf unseren Weg Richtung Ksar Ghilane.
Einige Dünenfelder haben wir bis dahin noch zu überwinden...