Hummer 3 im Test
Hummer zu fahren ist: Faszination. Hummer zu fahren ist: Spaß am automobilen Megagerät. Hummer zu fahren bedeutet angesichts der Klimaprobleme auch immer eine Gratwanderung zwischen - pardon - geilem Erlebnis und Schuldbewusstsein. Dass sich Letzteres in Grenzen halten darf, möchte die kleinste Baureihe H3 beweisen.
18.04.2007
Mehr Bilder!

Dazu hat man den Wagen mit durchaus manierlichen Verbrauchswerten und halbwegs überschaubaren Abmessungen ausgestattet - so soll der europäische Markt im Sturm erobert werden.

Ein texanischer Cowboy, der sich bei uns niedergelassen hat, im Beisl ein Obi G'spritzt zum Gulasch bestellt, aber dennoch nie auf Stiefel, Sporen und Stetson verzichtet. Das könnte der passende Fahrer für einen H3 sein. Der Wagen ist nämlich genau so teilweise an Europa angepasst, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verstecken. Ganz sympathisch,  ungewöhnlich - und teilweise ein bisschen schrullig.

Zum Test. Während der ersten Minuten in einem Hummer produziert wohl jeder Fahrer mehr Adrenalin als üblich: Man hat den Eindruck, in einem mächtig großen Wagen zu sitzen - und hat anfangs absolut keine Idee, wo das Ungetüm vorne, links, rechts und speziell hinten seine Grenzen hat. Die Fenster, gerade einmal circa 40 Zentimeter hoch, machen es einem auch nicht gerade leichter. Nimmt man im H3 Platz, wirken Innenraum und Außenabmessungen nicht wesentlich kleiner als beim H2. Noch nie H2 gefahren? Glauben Sie uns, das will etwas heißen ... Jedenfalls absolviert man die ersten Kilometer entsprechend vorsichtig.

Spätestens beim Einparken in der Tiefgarage kommt man aber drauf, dass der H3 eigentlich gar nicht so groß ist wie es scheint. Das war doch mit anderen Autos schwieriger? Ein Blick in die Betriebsanleitung gibt Gewissheit: Mit seinen Abmessungen (4.782 mm lang, 1.872 mm hoch, 1.989 mm breit) ist er beispielsweise 19 Zentimeter kürzer und - man höre und staune - 3 Zentimeter schmäler als ein Range Rover.

Das von uns gefahrene Modell "Luxury" verwöhnte mit elektrisch verstellbaren Ledersitzen, mehr als ausreichend Platz für 5 Passagiere, Automatik, akustisch wirklich nettem Audiosystem und einer - und das ist fast ein wenig anachronistisch - manuellen Klimaanlage. Komfort, Geräuschdämmung und Ergonomie sind ohne Fehl und Tadel. Überaus positiv: Auf die Verarbeitungsqualität scheint deutlich mehr Wert gelegt worden zu sein als bei den Urviechern H1 und H2. Klassische Amerikanismen, hierzulande oft nicht so beliebt, halten sich - ebenfalls im Unterschied zu H1 und H2 - in Grenzen. Schwächen im Innenraum gibt es dort, wo wegen der individuellen Karosserieform Kompromisse eingegangen werden mussten. Die Rundumsicht ist wie gesagt gewöhnungsbedürftig - hinter dem hoch angebrachten Reserverad kann sich aus Sicht des Fahrers locker ein ganzer PKW verstecken, an der Mini-Frontscheibe ist der mächtige Rückspiegel ein steter Blickhemmer, speziell beim Rechtsabbiegen. Sonst stört an sich nur, dass es im gesamten Innenraum praktisch keine Ablagefächer gibt.

Der Motor - ein R5 statt dem in den anderen Modellen obligaten V8 - ist Hummers nächsts Zugeständnis an Europa. So will man mit manierlichen Trinkgewohnheiten - das Werk spricht von 11,0 Litern Benzin, wir meinen, pscht, nicht weitersagen, eher 14 Liter - auch die alte Welt erobern. V8-Enthusiasten, seid nicht enttäuscht: Ein amerikanischer Fünfzylinder ist immer noch mindestens eine Klasse größer, als Ihr denkt: Die 220 PS schöpft der Vortec-Motor nämlich aus nicht weniger als 3,7 Litern Hubraum. Entsprechend sauber läuft er, ist superleise und lädt zum entspannten Cruisen ein. Bei 80 km/h sind die Reifen noch immer deutlich lauter als der R5. Im Test konnten wir also zum Teil entkräften, dass "H3" für "3 Zylinder zu wenig" stünde, wie böse Zungen behaupten.

Größtenteils entkräften. Nominell ein rechter Kraftlackel, kämpft der Wagen dennoch mit dem Gewicht des Wagens - und mit der 4-Gang-Automatik: Der Spurt aus dem Stand verläuft eher zäh, Sportlichkeit ist dem H3 nicht gerade in die Wiege gelegt. Der Automat schaltet im "Normalbetrieb" recht manierlich und fast ruckfrei, kann aber beim Kickdown - speziell beim Bergauffahren - ganz schön ungehobelt werden: Dann wird schon mal ganz unvermutet der 1. Gang reingeprügelt und der Motor an den roten Bereich herangedreht. Die entstehenden Lastwechsel sind dann nichts für Leute mit Wirbelsäulenproblemen. Eine fünfte Schaltstufe wäre hier wirklich eine Abhilfe.

So empfiehlt sich ein sanfter Umgang mit dem Gaspedal und die Entdeckung einer neuen automobilen Gelassenheit. Die 24 Zusatz-PS, mit der der H3 im Modelljahr 2007 lockt, werden die Sache aber etwas aufpeppen. Auch einen Diesel soll es übrigens bald geben. Eine Überlegung wert wäre es sicher auch, ein wenig Geld zu sparen und den Wagen mit Schaltgetriebe zu ordern.

Vergessen wir nicht: Der H3 ist ein Geländewagen. Und zwar ein verdammt guter: Permanenter Allrad, Untersetzung (und was für eine: Im Modell "Adventure" 4,0:1, normal 2,64:1), optional eine 100%-Sperre an der Hinterachse. Dazu vernünftig Bodenfreiheit, kurze Überhänge, saubere Verschränkung, 60 cm Wattiefe. Ein Allesüberwinder. Lachen Sie nicht: Der H3 steht dem H2 im Gelände um nichts nach und macht erst dann schlapp, wenn die (nicht übermäßig geländetaugliche) Serienbereifung endgültig den Grip verliert.

Schrullig wird es wieder ein wenig, wenn man unter den Wagen schaut: Da stützen doch tatsächlich Blattfedern die Hinterachse. Der Chevrolet Blazer lässt grüßen. Was man sonst nur mehr unter Pickups sieht, federt auch den Hummer 3. Wegen des enormen Gewichtes - über 2.2 Tonnen drücken von oben auf die Federn - aber dabei gar nicht einmal so unmanierlich. Komfortunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse gibt es naturgemäß dennoch.

Bleibt abzuwarten, wie das Publikum bei uns auf den "europäischsten" aller Hummer reagiert. Er bemüht sich jedenfalls, den Erwartungen gerecht zu werden, verliert aber dennoch nie seinen erdigen Cowboy-Charme. Den hohen Kultfaktor gibt's gratis dazu. Wenn Sie unschlüssig sind, ob Sie eine H3-Anschaffung mit Ihrem Öko-Gewissen vereinbaren können, vielleicht ein kleines Argument: Ein Porsche 911 verbraucht gleich viel Sprit ...
 

Mehr Bilder!

Fotos: gelaendewagen.at
 

Hummer 3
Daten und Fakten


Länge/Breite/Höhe:
4.782/1.989/1.872 mm
Radstand: 2.841 mm

Motor: 3,7 l-Fünfzylinder-Reihenmotor von Vortec, 244 PS bei 5.600 U/min, max. Drehmoment von 328 Nm bei 4.600 U/min

Verbrauch: 11,0 l Normalbenzin (Werksangabe)

Höchstgeschwindigkeit:
158 km/h

Getriebe: Fünfgangschaltgetriebe mit Overdrive, alternativ 4-Stufen Automatik

Tankinhalt: 87 l

Geländeleistungen: Elektrisch gesteuerter permanenter Allradantrieb von BorgWarner, Untersetzung 2,64:1, optional 4,03:1. 4High Open, 4High Locked, 4Low-range Locked, 100% Differenzialsperre hinten optional.
Elektronische Traktionskontrolle
Böschungswinkel 37,5° vorne, 34,6° hinten
Bodenfreiheit 216 mm
Rampenwinkel 23,5°
P265/75R16 Goodyear Wrangler RT/S
Wattiefe 610 mm
Unterbodenschutz mit 4 Schutzplatten
Wendekreis 11,3 m
Leiterrahmen

Fahrwerk: vorne Einzelradaufhängung mit Drehstäben, Einrohr-Gasdruckstoßdämpfer und Stabilisator; hinten Einrohr-Gasdruckstoßdämpfer mit halbelliptischen Blattfedern

Reifen und Räder: Felgen 16" x 7,5" Aluminium, Reifen 265/75R16

Ausstattung (Auszug):
Tempomat, manuelle Klimaanlage, Zentralverriegelung, Nebelscheinwerfer, Fahrer- und Beifahrerairbag, Vorhang-Airbags vorne und hinten, elektrohydraulische Scheibenbremsen an allen 4 Rädern mit ABS, dynamische Bremskraftverteilung hinten, Audio: Monsoon-Premiumsystem mit 7 Lautsprechern, Verstärker und Subwoofer

Preise:
Basismodell ab € 43.990,--
"Adventure" € 50.890,--
"Luxury" € 52.690,--

Alle Angaben beziehen sich auf den H3 Modelljahr 2007!

 

gelaendewagen.at Test Nr. 38

 

Hasta la vista, baby: Der Hummer 2 im gelaendewagen.at-Test





 
(c) allradnews.at & gelaendewagen.at