Wir haben einen Offroad-Rookie zum Defender-Testen mitgenommen. Und ihm ein bisschen was über Land Rover erzählt.
"Gehört das so?", fragte der junge Offroad-Rookie, während er die Fahrertür unseres Test-Defenders auf- und zumachte. Auf und zu. Immer wieder. Und bei jedem Auf - und auch bei jedem Zu - knackte es. Knack, knack aus dem Türfänger. So etwas hatte der Automechaniker-Geselle noch nie gehört. Zumindest nicht bei einem Neuwagen. Als er dann einstieg, sich beim Zuschlagen der Tür den Griff in den Oberschenkel rammte und mit theatralisch verdrehten Augen das Zündschloss auf der falschen Seite suchte, mussten wir alte Defender-Hasen seufzen: Ja, da war viel an Aufklärungsarbeit notwendig.
Und so erzählten wir ihm die Geschichte von Land Rover. Von den Anfangsjahren nach dem Krieg, als Stahl in England Mangelware war. Als die
Gebrüder Wilks in ihrer Not den genialen Einfall hatten, aus Aluminium ein geländegängiges Automobil zu bauen, das auf der Straße und dem Acker gleichermaßen einsetzbar war. Das vom britischen
Solihull ausgehend die ganze Welt eroberte. Das es den Menschen ermöglichte, in die entlegensten Gebiete unseres Planeten zu gelangen. Das zwar nicht als unzerstörbar, aber als überall - in jeder Traktorwerkstatt - reparierbar galt. Dass das Auto seit mittlerweile 66 Jahren mehr oder weniger unverändert aussieht. Wir erzählten ihm die Geschichte, dass 70 Prozent aller seit 1948 gebauter Fahrzeug heute noch immer im Einsatz seien (auch wenn wir das selbst nicht ganz glauben können, aber bitte). Wir erzählten von Wüsten und Sümpfen, die wir in Land Rovern bezwungen hatten, von glutheißen und eiskalten Reisetagen und -nächten. Von der
Camel Trophy, der
G4-Challenge. Der
Land Rover Experience. Kurz gesagt: Vom "Land Rover Spirit" halt.
Dem
Rookie war all das ... völlig egal. Er hatte inzwischen nämlich das Zündschloss gefunden, war im ersten Gang losgehoppelt und suchte nun verzweifelt nach einem Platz für seinen linken Fuss. Links neben dem Kupplungspedal gibt es nämlich keinen dafür. Wir dirigierten ihn auf eine erste sandig-sanfte Auffahrt, dahinter eine ebenso sanfte Abfahrt. Das Einlegen der Untersetzung klappte noch, bei der teigig zu schaltenden Differenzialsperre mühte er sich redlich ab. Als der "Double Cab Pickup" dann in der ersten schönen Verschränkung sanft hin- und herwankte, das Standgas aber locker fürs Durchkommen reichte, änderte sich sein Gesichtszug doch deutlich. Als der Wagen danach an jeder Achse ein Rad hob und die Traktionskontrolle eine geräuschvolle Nachdenksekunde einlegte um die Fuhre schließlich doch noch weiterzubewegen, schien er erstmals gar ein wenig beeindruckt.
"Loire Blue" nennt sich die Lackfarbe unseres Testwagens, traditionell ist das Dach in kontrastierendem Weiß gehalten. Gut passen dem Pickup die ebenfalls weiß lackierten Heavy-Duty-Felgen, die um ein halbes Zoll breiter sind als die Serienfelgen (6,5 statt 6 Zoll) und an ihrer Lochung erkennbar sind. Famos sind die Geländeeigenschaften der montierten
Goodyear Wrangler MT/R - sie gehören zu den besten Schlammreifen, die wir je kennengelernt haben. Neben dem Gatsch dürfen auch loser Geröllboden und Sand als ihre Spezialgebiete bezeichnet werden. Selbst auf der Straße verhalten sie sich manierlich, einzig das wabbernde Abrollgeräusch von 50 bis ca. 70 km/h ist (sehr) gewöhnungsbedürftig.
Pickups gibt es
von Land Rover mit den Radständen 90, 110 und 130 Zoll. Während der kurze 90 in Österreich seit Jahresbeginn nicht mehr angeboten wird, unterscheiden sich 110 und 130 nicht nur in Radstand und Fahrzeuglänge, sondern auch in ihrem Aufbau: Während der 130 eine von der Kabine getrennte Ladefläche montiert hat, ist jene vom 110 fix verbundener Bestandteil der Karosserie. In puncto Zuladung kann der
110 DCPU nicht mit den deutschen und japanischen Konkurrenten mithalten: Die
Ladefläche misst nur 106 Zentimeter in der Länge, rund 25 davon gehen noch zusätzlich für das am Mittelschott angebrachte Reserverad verloren. Doch mit seinem
Plane-/Spriegelsystem wirkt der DCPU herrlich rustikal und geht locker als echtes Fun-Car durch.
Wir zeigten unserem Defender-Newbie dann auch noch die schwierigeren Plätzchen des kleinen Offroadgeländes im niederösterreichischen
Kollnbrunn. Da galt es Steilauf- und -abfahrten, Schlammlöcher und Schrägfahrten zu überwinden. Es fiel kaum auf, dass der Fahrer nicht der langgediente Offroad-Profi war. Inzwischen machte er seine Sache aber gut, fuhr langsam, vorausschauend und kupplungsschonend. Dafür zeigte ihm der Defender, was er so alles drauf hat, wie mühelos er sich durch schwierigstes Gelände bewegen lässt. Dass das Anti-Stall-System das eine oder andere Mal dafür sorgte, dass der Wagen nicht abgewürgt wurde, sagten wir erst später.
In einer einzigen Situation verlor unser Fahrer die Nerven: Als die Verschränkung bergauf extrem wurde, zwei Räder in der Luft hingen und jene beiden mit Bodenkontakt noch dazu auf rutschigem Untergrund Traktion verloren - und die Halbachsen wild und geräuschvoll auf das
ETC schimpften. Er kuppelte aus, wir hoppelten rücklings über die versetzten Hügel mit vier blockierenden Rädern fröhlich talwärts. Kein Problem für den Defender, beim nächsten Versuch schafften wir es mit einem einzigen km/h mehr locker auf den Hügel.
Da war er dann doch ziemlich beeindruckt, unser Jungspund. Er fand auf Anhieb den Zündschlüssel, stellte den Motor ab und quälte sich hinter dem Lenkrad hervor ins Freie. Wir schälten uns vom Beifahrersitz und - noch einen Hauch unbequemer - von der Rückbank herab ins Freie. Sein beglückt-bescheuertes Lächeln zeigte uns, dass das Land Rover Virus zu wirken begonnen hatte. Als wir ihm
dann erzählten, dass es im Jahr
2016 wahrscheinlich endgültig aus sein wird mit dem Defender, war er traurig wie wir.
