Nach vier Wochen mit Leben im Felde war nun
die Zeit gekommen, zwei meiner Lieblingsbeschäftigungen
gleichzeitig nachgehen zu können: Mit dem Auto im Gelände
umherzuhirschen und antike Stätten zu besuchen. Das bereiste
Gebiet wurde um das 12.vorchristliche Jahrhundert von den
Phöniziern als Handelskolonie erkoren, ebenso wie die Balearen,
Korsika, Sardinien und Sizilien. Nach dem 2. Punischen Krieg 202 v.C.
waren die Karthager (Punier) wieder auf den afrikanischen
Kontinent beschränkt worden. Und jeder, der Lateinunterricht
genossen hat, errinnert sich noch an „...ceterum censeo,
Carthaginem esse delendam !“ Es geht nun 200 Jahre ziemlich „um“
bis unter Augustus im Jahre 27 die Region völlig unterworfen und
als Provincia Africa Proconsularis dem Senat von Rom direkt
unterstellt worden war. Bis zur Eroberung durch die Vandalen im
Jahre 439 prosperierte die gesamte Maghreb-Region trotz einiger
Unruhen und Aufstände ( z.B.: wegen der Olivenölsteuer ).
Beliebte Ziele in Tunesien haben eine lange Geschichte. Ksar
Ghilane zum Beispiel war früher eine Siedlung am limes, dem
Grenzwall mit dem Namen Tisavar, dieser limes zog sich von Mades
( heute Mides siehe Schlucht ) über Ad Speculum (Chebika, der
Einstieg zur „Rommelpiste“, welche nun gesperrt zu sein scheint) weiter über
Thuzuros (unschwer als Tozeur zu identifizieren )
über Ksar Tarcine bis Ras El Ain. Fast ausnahmslos alle heute
bedeutenden Siedlungen haben numidisch, punisch-römische
Vergangenheit. Sogar Hammamet (Pupput), Monastir (Ruspina)
und Djerba (Girba), die Tempel des organisierten Tourismus am
Meer.
Ich glaube, es ist der 14. Januar 2007. 7 Uhr 30, ist es
bestimmt! Ort: Die Hauptstraße von Feriana. Ich erwache wegen
des Lärms. War am Abend zu faul gewesen, um noch einen
Lagerplatz zu suchen und um 23 Uhr wars doch ganz still. Geplant
für heute ist, die Tour 18 des Buchs nach Norden der algerischen
Grenze entlang nebst ein paar Abstechern zu beginnen. Gleich
nach Ortsende liegt Thelepte, die alte Garnisonsstadt Thamesmida
ein Stück weiter an der Römerstrasse El Djem – Tebessa. Heute
ist nur mehr ein Ruinenfeld über. Dort zweigt kurz vor der
Grenze die C91 nach Norden ab. Nach Bouderies fährt man
ebenfalls an einem Ruinenfeld vorbei, es liegt am Weg nach
Ammaedara (heute Haidra). Es hat die Koordinaten N 35°24´841
und E 8°29´174. Hab noch nicht herausgefunden, um welche
Siedlung es sich gehandelt hat, die Ruinen sind jedoch gut 1 km
entlang des Weges.
Der Route folgend nähert man sich bergab einem beeindruckend
großem Oued Haidra. An dessen Rand, 15-18 m darüber erstreckt
sich der Rest von Ammaedara ( Haidra ). Es war dies einst der
Sitz der legendären 3. Legion Augusta, welche die Provinz Africa
mit ca 6000 Mann und einer noch etwas größeren Hilfstruppe
verteidigte, ehe sie ins heutige algerische Tebessa verlegt
wurde. Die Exgarnisonsstadt füllte sich daraufhin mit Veteranen.
Ab der Unterwerfung 439 unter die vandalische Herrschaft verlor
sie an Bedeutung bis zur Eroberung durch das byzantinische
Reich, in dem sie wieder zu Geltung gelangte und weiter
ausgebaut wurde.
Über eine relativ üble Piste geht es nun ganz nah der Grenze
weiter nach Norden. Hier fehlt das Buch zum ersten Mal: ein Oued
hat den Weg völlig mit sich gerissen. Links herum sieht es zwar
einfacher aus, jedoch sind schon algerische Wachtürme in
Greifnähe. Ich beschließe landeinwärts eine Umfahrung zu suchen.
Nach ca. 11 km habe ich die Passage umgangen und muss nun
dauernd nachrechnen, denn im Roadbook habe ich nur 380 m
zurückgelegt. Durch eine landschaftlich sehr reizvolle Gegend
stoße ich von Süden her kommend auf den weithin sichtbaren
Tafelberg Table de Jugurtha, welchen ich halbkreisförmig im
Westen umrunde. Da ich abends in El Kef ( Sicca Veneria ) sein
will, um einmal wieder in einem Hotel duschen zu können,
verlasse ich die roadbook Route und fahre am kürzesten Weg nach
dem heutigen M´deina ( Althiburos ).
Es ist erstaunlich, aber bis jetzt habe ich noch keinen Menschen
getroffen, der all diese bisher besuchten Stätten zum
Geldverdienen benutzt, noch jemand, der diese Stätten bewacht
hätte. In Althiburos war ich 2 ½ Stunden mit Ausnahme von ein
paar Schafen und Ziegen alleine. Es ist eine noch sehr wenig
ausgegrabenen Stadt; allerdings bin ich beeindruckt, wie lange
eine so große Stätte ohne Bewachung stehen bleibt.
Über Zanfour (Assouras), wo wieder ein Triumphbogen und wenige
andere Gebäude der Zeit nahe am Abgrund eines hochaktiven Oueds
getrotzt haben, versuche ich Elles (Thiggiba) durch die Berge
zu erreichen. Es gelingt schließlich und, an dieser Stelle
möchte ich mich ganz herzlich beim Zufall bedanken, der mir
mehrere tolle Erlebnisse in Tunesien zugeschanzt hat, nach der
Querung des Dorfes in den Bergen am oberen Ortsrand befinden
sich mehr als 20 Megalith-Gräber (mega ist klar, lithos = der
Stein). Steinplattenabdeckungen von mehreren Tonnen schweren
Steinen über aufgestellten Steinplatten. Unbewacht, ungestört
und in völlig friedlicher Atmosphäre warte ich, nicht nur zum
Fotografieren, auf den Sonnenuntergang. In der Finsternis sind
die Haupstraßen Dein Freund und ich begebe mich darauf nach El Kef
(Sicca Veneria) ins Hotel Leklil. Sehr empfehlenswert und
ein wirklich selten bemühtes und freundliches Personal.
Beschließe spontan, von hier aus die nächsten Tage die
historischen Stätten anzufahren.
15.Januar. (Zeitindex in der Mitschrift entdeckt). X minus 4;
wie kurz doch 5 Wochen werden können. Aus El Kef über die C 72
bis zur Talsperre Mellegue, auf eine graue „Straße“ abgebogen,
kurz vor der Überquerung der P6 auf die ursprüngliche Straße
zurückgekehrt gelange ich nach Chemtou (Simitthus). Gelegen an
der Kreuzung zweier antiker Straßen (Annaba-Algerien nach
Carthago und Tabarka nach Sicca Veneria, am Fluß Medjerda (Bagradas) mit damals schon von Wasser angetriebenen Kornmühlen
und dem im römischen Reich zweitwichtigsten Marmorsteinbruch.Nach starken Regenfällen entdeckte man 1961 außerhalb der Stadt,
welche 27 v.C, also unter unserer allseits beliebten
Asterixfigur Julius C. gegründet wurde, eine 4 ha große,
gefängnisähnliche Siedlung, in der Marmorprodukte
fließbandähnlich in Arbeitsteilung von Sklaven, hauptsächlich
frühe Christen, hergestellt wurden. Ein 30 km langer Aquaedukt
versorgte zu den Zisternen die lokale Therme mit Wasser. Der C59
folgend, die der Route der alten Römerstrasse entspricht, wende
ich mich nach Hammam ad Darragi (Bulla Regia).
Diese Stadt ist
die bisher einzige des römischen Reiches, in welcher der Adel
und das reiche Bürgertum ( es war die Metropole der campi magni,
der Kornkammer ) die Bauweise der berberischen
Troglodytenbehausungen aus der Gegend Matmatas kopierten, indem
sie den Rückzugsraum für die sommerliche Hitze in den Keller
verlegten. Es sind noch ganz beeindruckende Teile dieser
Bauwerke vorhanden. Es wird zwar Eintritt verlangt und es ist
teilweise eingezäunt, jedoch kann man sich auf dem ganzen
Gelände frei und ungestört bewegen. Ein Genuss!
Für den Tag genug gesehen und nichts mehr in sinnvoller
Erreichbarkeit, also mache ich mich auf, um wieder einmal das
Meer zu betrachten. Das geht wunderbar von der Genuesenfestung
auf dem 60 m hohen Felsen über Tabarka.
X minus 3: Über einige Karrenwege wieder El Kef verlassen, der
Weg wird bei einer weggespülten Brücke des Oued Tessa kurzerhand
zur Trialsektion mit Schräglagenprüfung und Buschquälen. Dann
bei Ghozlane auf die C74 gekommen und diese zugunsten eines
weiß in der Karte verzeichneten Weges verlassen. Dieser muss
Teil der römischen Straße Dougga – Sicca Veneria gewesen sein
und ich bin mir sicher, damals war die Route leichter befahrbar.
Aber: Dougga (Thougga) von der Rückseite her erreicht !
Diese Ansiedlung fällt wegen Ihrer monumentalen Bauten im
Verhältnis zur Gesamtgröße auf. Für insgesamt 5000 Bewohner
alleine 3 Thermen ! Und Zisternen mit einer Kapazität von 15.000
Kubikmeter !!! In dieser Stadt ist unter anderem die 12-sitzige
Latrine aus Stein in der Therme der Zyklopen erhalten.
Nun steht noch für heute die Pont de Trajan am Plan, reizvoll in
der Nähe des Stausees Sidi Salem. Eine 70 m lange, dreibögige
Brücke über den Oued Beja, ca 20 km südlich der Stadt Beja. Vier
Stunden suchte ich das Ufer des Stausees ab, fuhr in jeden
Karrenweg, der das Ufer verhieß und fand sie nicht ( eine 70m
lange Brücke aus Stein ! )
Eine Stunde vor Sonnenuntergang
besiegte ich meinen Stolz und fragte einen einheimischen jungen
Mann (Die dortige spärliche Bevölkerung beobachtete mich schon
länger, denn manche Wege befuhr ich auf der Suche schon zum 8.
oder 9.Male). Immer breiter grinsend meiner ausgeschmückten
Frage nach Römern, Brücke und alldem lauschend erklärte er mir,
wenn der Stausee voll ist, dann ist die Brücke 10 m unter dem
Wasserspiegel. „Dix metres, monsieur, dix metres“.
Geschichte geflutet. Also : wer sie sehen will, Juli bis Oktober
wäre anzuraten. Und weil es wieder dunkel wird, retour zum
Hotel. Zuvor noch in ein Internetcafe, das folgerichtig, weil
nichts ausgeschenkt wird und zudem Rauchverbot herrscht, "publinet" heißt.
X minus 2: Es wird knapp. Von El Kef direkt nach Makhtar (Mactaris). Ein
lybisch- punisch- römischer Mix mit
Vandalenresten (Hildegundbasilika). Und mit sowohl einem
römischen als auch einem punischen Forum. Von hier eine Offroadetappe einem Oued in Richtung
El Ksour und weiter über
die Barrages Lakhmes, Siliana und Errmil beim Ort
Bou Arada
herausgekommen und der Bahn ungefähr folgend das letzte Ziel, El
Fahs ( Thuburbo majus ) erreicht.
Mit Winter und Sommerthermen und einem beeindruckenden Rest der
Palestra der Petronier, einer von einem reichen Bürger und
seinen Söhnen gestifteten Sportwettkampfstätte.
Hier wurde übrigens versucht, mir „alte“ Öllampen, die auf der
Stätte gefunden wurden, zu verkaufen. Hände weg!
Per SMS erhalte ich wieder einmal Botschaft, Roland/Ingrid und
Gregor/Babsi kommen von Süden nach Kairouan und haben dort in
einem Oued einen Lagerplatz. Nachdem wir die selbe Fähre retour
haben, fahre ich Ihnen nach Süden entgegen. Wieder einmal
erreiche ich ein Lager im Stockdunkel.
Der letzte Tag. Wir fahren Richtung Tunis. In Hammamet
trennen
wir uns, denn ich möchte noch eine Runde gegen den Uhrzeigersinn
ums Cap Bon abschließen und wir verabreden uns für einen
Lagerplatz bei Raourad. Dort angekommen erscheinen zwischen 20
und 22 Uhr dreimal Polizisten, um uns zu bewegen, diesen, auch
von Därr propagierten, Lagerort zu verlassen, zu gefährlich sei
dies an dieser Stelle. 50 m weiter lagerten ein paar deutsche
Motorradfahrer, welche partout nicht mehr deren Zelte abbauen
wollten. Um endlich Ruhe zu haben, fahre ich mit einem der
Polizisten ca 1 km weiter einen von Ihnen empfohlenen Platz
besichtigen, 100 m von einer Polizeistation auf einem
beleuchteten Parkplatz 30 m neben dem Meer. Auch schön. Wir
wechseln, die Deutschen sind beratungsresistent. In der Nacht
vor dem Einschlafen sehe ich noch zweimal die Polizisten patroullieren, ob uns wohl nichts passiert. In all den 5 Wochen
muss ich der dortigen Exekutive ein uneingeschränktes Lob für
korrektes, freundliches und überaus hilfreiches Verhalten
attestieren. Trotz der ca. 80 Kontrollen.
X minus Null. Hat einen traurigen Klang. Was soll man über einen
Tag sagen, an dem man fünf Wochen Urlaub beschließt und zum Ende
sich noch mit tunesischen Zöllnern rumärgern muss. Tag und Nacht
zur Polizei.
Dass die Carthage Ihre planmäßige Verspätung eingehalten hat,
sei zum Schluß noch erwähnt. Knapp drei Stunden. Zum Glück sind
die Italiener nicht so nachtragend.
Noch ein paar Daten zum Fahrzeug (Bremach):
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Leergewicht 3100kg
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Kampfgewicht mit vollen Tanks in Urlaubsmodus 4400 kg
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Verbrauch auf 7600 km 961 Liter = 12,64 l
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Verbrauch Ghilane-Douz-J´bil-Tembaine-Douz 14,8/100 km
Nix hin, bloß die Fehleranzeige nervt.
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