Tunesien mit dem Bremach
Teil 4 – Von Ausgrabung zu Ausgrabung – allerdings meistens querfeldein gereist.
31.01.2007
Nach vier Wochen mit Leben im Felde war nun die Zeit gekommen, zwei meiner Lieblingsbeschäftigungen gleichzeitig nachgehen zu können: Mit dem Auto im Gelände umherzuhirschen und antike Stätten zu besuchen. Das bereiste Gebiet wurde um das 12.vorchristliche Jahrhundert von den Phöniziern als Handelskolonie erkoren, ebenso wie die Balearen, Korsika, Sardinien und Sizilien. Nach dem 2. Punischen Krieg 202 v.C. waren die Karthager (Punier) wieder auf den afrikanischen Kontinent beschränkt worden. Und jeder, der Lateinunterricht genossen hat, errinnert sich noch an „...ceterum censeo, Carthaginem esse delendam !“ Es geht nun 200 Jahre ziemlich „um“ bis unter Augustus im Jahre 27 die Region völlig unterworfen und als Provincia Africa Proconsularis dem Senat von Rom direkt unterstellt worden war. Bis zur Eroberung durch die Vandalen im Jahre 439 prosperierte die gesamte Maghreb-Region trotz einiger Unruhen und Aufstände ( z.B.: wegen der Olivenölsteuer ).

Beliebte Ziele in Tunesien haben eine lange Geschichte. Ksar Ghilane zum Beispiel war früher eine Siedlung am limes, dem Grenzwall mit dem Namen Tisavar, dieser limes zog sich von Mades ( heute Mides siehe Schlucht ) über Ad Speculum (Chebika, der Einstieg zur „Rommelpiste“, welche nun gesperrt zu sein scheint) weiter über Thuzuros (unschwer als Tozeur zu identifizieren ) über Ksar Tarcine bis Ras El Ain. Fast ausnahmslos alle heute bedeutenden Siedlungen haben numidisch, punisch-römische Vergangenheit. Sogar Hammamet (Pupput), Monastir (Ruspina) und Djerba (Girba), die Tempel des organisierten Tourismus am Meer.

Ich glaube, es ist der 14. Januar 2007. 7 Uhr 30, ist es bestimmt! Ort: Die Hauptstraße von Feriana. Ich erwache wegen des Lärms. War am Abend zu faul gewesen, um noch einen Lagerplatz zu suchen und um 23 Uhr wars doch ganz still. Geplant für heute ist, die Tour 18 des Buchs nach Norden der algerischen Grenze entlang nebst ein paar Abstechern zu beginnen. Gleich nach Ortsende liegt Thelepte, die alte Garnisonsstadt Thamesmida ein Stück weiter an der Römerstrasse El Djem – Tebessa. Heute ist nur mehr ein Ruinenfeld über. Dort zweigt kurz vor der Grenze die C91 nach Norden ab. Nach Bouderies fährt man ebenfalls an einem Ruinenfeld vorbei, es liegt am Weg nach Ammaedara (heute Haidra). Es hat die Koordinaten N 35°24´841 und E 8°29´174. Hab noch nicht herausgefunden, um welche Siedlung es sich gehandelt hat, die Ruinen sind jedoch gut 1 km entlang des Weges.

Der Route folgend nähert man sich bergab einem beeindruckend großem Oued Haidra. An dessen Rand, 15-18 m darüber erstreckt sich der Rest von Ammaedara ( Haidra ). Es war dies einst der Sitz der legendären 3. Legion Augusta, welche die Provinz Africa mit ca 6000 Mann und einer noch etwas größeren Hilfstruppe verteidigte, ehe sie ins heutige algerische Tebessa verlegt wurde. Die Exgarnisonsstadt füllte sich daraufhin mit Veteranen. Ab der Unterwerfung 439 unter die vandalische Herrschaft verlor sie an Bedeutung bis zur Eroberung durch das byzantinische Reich, in dem sie wieder zu Geltung gelangte und weiter ausgebaut wurde.

Über eine relativ üble Piste geht es nun ganz nah der Grenze weiter nach Norden. Hier fehlt das Buch zum ersten Mal: ein Oued hat den Weg völlig mit sich gerissen. Links herum sieht es zwar einfacher aus, jedoch sind schon algerische Wachtürme in Greifnähe. Ich beschließe landeinwärts eine Umfahrung zu suchen. Nach ca. 11 km habe ich die Passage umgangen und muss nun dauernd nachrechnen, denn im Roadbook habe ich nur 380 m zurückgelegt. Durch eine landschaftlich sehr reizvolle Gegend stoße ich von Süden her kommend auf den weithin sichtbaren Tafelberg Table de Jugurtha, welchen ich halbkreisförmig im Westen umrunde. Da ich abends in El Kef ( Sicca Veneria ) sein will, um einmal wieder in einem Hotel duschen zu können, verlasse ich die roadbook Route und fahre am kürzesten Weg nach dem heutigen M´deina ( Althiburos ).

Es ist erstaunlich, aber bis jetzt habe ich noch keinen Menschen getroffen, der all diese bisher besuchten Stätten zum Geldverdienen benutzt, noch jemand, der diese Stätten bewacht hätte. In Althiburos war ich 2 ½ Stunden mit Ausnahme von ein paar Schafen und Ziegen alleine. Es ist eine noch sehr wenig ausgegrabenen Stadt; allerdings bin ich beeindruckt, wie lange eine so große Stätte ohne Bewachung stehen bleibt.

Über Zanfour (Assouras), wo wieder ein Triumphbogen und wenige andere Gebäude der Zeit nahe am Abgrund eines hochaktiven Oueds getrotzt haben, versuche ich Elles (Thiggiba) durch die Berge zu erreichen. Es gelingt schließlich und, an dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich beim Zufall bedanken, der mir mehrere tolle Erlebnisse in Tunesien zugeschanzt hat, nach der Querung des Dorfes in den Bergen am oberen Ortsrand befinden sich mehr als 20 Megalith-Gräber (mega ist klar, lithos = der Stein). Steinplattenabdeckungen von mehreren Tonnen schweren Steinen über aufgestellten Steinplatten. Unbewacht, ungestört und in völlig friedlicher Atmosphäre warte ich, nicht nur zum Fotografieren, auf den Sonnenuntergang. In der Finsternis sind die Haupstraßen Dein Freund und ich begebe mich darauf nach El Kef (Sicca Veneria) ins Hotel Leklil. Sehr empfehlenswert und ein wirklich selten bemühtes und freundliches Personal. Beschließe spontan, von hier aus die nächsten Tage die historischen Stätten anzufahren.

15.Januar. (Zeitindex in der Mitschrift entdeckt). X minus 4; wie kurz doch 5 Wochen werden können. Aus El Kef über die C 72 bis zur Talsperre Mellegue, auf eine graue „Straße“ abgebogen, kurz vor der Überquerung der P6 auf die ursprüngliche Straße zurückgekehrt gelange ich nach Chemtou (Simitthus). Gelegen an der Kreuzung zweier antiker Straßen (Annaba-Algerien nach Carthago und Tabarka nach Sicca Veneria, am Fluß Medjerda (Bagradas) mit damals schon von Wasser angetriebenen Kornmühlen und dem im römischen Reich zweitwichtigsten Marmorsteinbruch.

Nach starken Regenfällen entdeckte man 1961 außerhalb der Stadt, welche 27 v.C, also unter unserer allseits beliebten Asterixfigur Julius C. gegründet wurde, eine 4 ha große, gefängnisähnliche Siedlung, in der Marmorprodukte fließbandähnlich in Arbeitsteilung von Sklaven, hauptsächlich frühe Christen, hergestellt wurden. Ein 30 km langer Aquaedukt versorgte zu den Zisternen die lokale Therme mit Wasser. Der C59 folgend, die der Route der alten Römerstrasse entspricht, wende ich mich nach Hammam ad Darragi (Bulla Regia).

Diese Stadt ist die bisher einzige des römischen Reiches, in welcher der Adel und das reiche Bürgertum ( es war die Metropole der campi magni, der Kornkammer ) die Bauweise der berberischen Troglodytenbehausungen aus der Gegend Matmatas kopierten, indem sie den Rückzugsraum für die sommerliche Hitze in den Keller verlegten. Es sind noch ganz beeindruckende Teile dieser Bauwerke vorhanden. Es wird zwar Eintritt verlangt und es ist teilweise eingezäunt, jedoch kann man sich auf dem ganzen Gelände frei und ungestört bewegen. Ein Genuss!

Für den Tag genug gesehen und nichts mehr in sinnvoller Erreichbarkeit, also mache ich mich auf, um wieder einmal das Meer zu betrachten. Das geht wunderbar von der Genuesenfestung auf dem 60 m hohen Felsen über Tabarka.

X minus 3: Über einige Karrenwege wieder El Kef verlassen, der Weg wird bei einer weggespülten Brücke des Oued Tessa kurzerhand zur Trialsektion mit Schräglagenprüfung und Buschquälen. Dann bei Ghozlane auf die C74 gekommen und diese zugunsten eines weiß in der Karte verzeichneten Weges verlassen. Dieser muss Teil der römischen Straße Dougga – Sicca Veneria gewesen sein und ich bin mir sicher, damals war die Route leichter befahrbar. Aber: Dougga (Thougga) von der Rückseite her erreicht !

Diese Ansiedlung fällt wegen Ihrer monumentalen Bauten im Verhältnis zur Gesamtgröße auf. Für insgesamt 5000 Bewohner alleine 3 Thermen ! Und Zisternen mit einer Kapazität von 15.000 Kubikmeter !!! In dieser Stadt ist unter anderem die 12-sitzige Latrine aus Stein in der Therme der Zyklopen erhalten.

Nun steht noch für heute die Pont de Trajan am Plan, reizvoll in der Nähe des Stausees Sidi Salem. Eine 70 m lange, dreibögige Brücke über den Oued Beja, ca 20 km südlich der Stadt Beja. Vier Stunden suchte ich das Ufer des Stausees ab, fuhr in jeden Karrenweg, der das Ufer verhieß und fand sie nicht ( eine 70m lange Brücke aus Stein ! )

Eine Stunde vor Sonnenuntergang besiegte ich meinen Stolz und fragte einen einheimischen jungen Mann (Die dortige spärliche Bevölkerung beobachtete mich schon länger, denn manche Wege befuhr ich auf der Suche schon zum 8. oder 9.Male). Immer breiter grinsend meiner ausgeschmückten Frage nach Römern, Brücke und alldem lauschend erklärte er mir, wenn der Stausee voll ist, dann ist die Brücke 10 m unter dem Wasserspiegel. „Dix metres, monsieur, dix metres“.

Geschichte geflutet. Also : wer sie sehen will, Juli bis Oktober wäre anzuraten. Und weil es wieder dunkel wird, retour zum Hotel. Zuvor noch in ein Internetcafe, das folgerichtig, weil nichts ausgeschenkt wird und zudem Rauchverbot herrscht, "publinet" heißt.

X minus 2: Es wird knapp. Von El Kef direkt nach Makhtar (Mactaris). Ein lybisch- punisch- römischer Mix mit Vandalenresten (Hildegundbasilika). Und mit sowohl einem römischen als auch einem punischen Forum. Von hier eine Offroadetappe einem Oued in Richtung El Ksour und weiter über die Barrages Lakhmes, Siliana und Errmil beim Ort Bou Arada herausgekommen und der Bahn ungefähr folgend das letzte Ziel, El Fahs ( Thuburbo majus ) erreicht.
Mit Winter und Sommerthermen und einem beeindruckenden Rest der Palestra der Petronier, einer von einem reichen Bürger und seinen Söhnen gestifteten Sportwettkampfstätte.

Hier wurde übrigens versucht, mir „alte“ Öllampen, die auf der Stätte gefunden wurden, zu verkaufen. Hände weg!

Per SMS erhalte ich wieder einmal Botschaft, Roland/Ingrid und Gregor/Babsi kommen von Süden nach Kairouan und haben dort in einem Oued einen Lagerplatz. Nachdem wir die selbe Fähre retour haben, fahre ich Ihnen nach Süden entgegen. Wieder einmal erreiche ich ein Lager im Stockdunkel.

Der letzte Tag. Wir fahren Richtung Tunis. In Hammamet trennen wir uns, denn ich möchte noch eine Runde gegen den Uhrzeigersinn ums Cap Bon abschließen und wir verabreden uns für einen Lagerplatz bei Raourad. Dort angekommen erscheinen zwischen 20 und 22 Uhr dreimal Polizisten, um uns zu bewegen, diesen, auch von Därr propagierten, Lagerort zu verlassen, zu gefährlich sei dies an dieser Stelle. 50 m weiter lagerten ein paar deutsche Motorradfahrer, welche partout nicht mehr deren Zelte abbauen wollten. Um endlich Ruhe zu haben, fahre ich mit einem der Polizisten ca 1 km weiter einen von Ihnen empfohlenen Platz besichtigen, 100 m von einer Polizeistation auf einem beleuchteten Parkplatz 30 m neben dem Meer. Auch schön. Wir wechseln, die Deutschen sind beratungsresistent. In der Nacht vor dem Einschlafen sehe ich noch zweimal die Polizisten patroullieren, ob uns wohl nichts passiert. In all den 5 Wochen muss ich der dortigen Exekutive ein uneingeschränktes Lob für korrektes, freundliches und überaus hilfreiches Verhalten attestieren. Trotz der ca. 80 Kontrollen.

X minus Null. Hat einen traurigen Klang. Was soll man über einen Tag sagen, an dem man fünf Wochen Urlaub beschließt und zum Ende sich noch mit tunesischen Zöllnern rumärgern muss. Tag und Nacht zur Polizei.

Dass die Carthage Ihre planmäßige Verspätung eingehalten hat, sei zum Schluß noch erwähnt. Knapp drei Stunden. Zum Glück sind die Italiener nicht so nachtragend.



Noch ein paar Daten zum Fahrzeug (Bremach):
- Leergewicht 3100kg
- Kampfgewicht mit vollen Tanks in Urlaubsmodus 4400 kg
- Verbrauch auf 7600 km 961 Liter = 12,64 l
 - Verbrauch Ghilane-Douz-J´bil-Tembaine-Douz 14,8/100 km

Nix hin, bloß die Fehleranzeige nervt.

 

Der Reisebericht in 4 Teilen
Teil 1: Der Prolog
Teil 2: Die Reise
Teil 3: Offroad
Teil 4: Provinciae Africae

Text und Fotos: Michael Kratochwill

Am alten Weg nach Dougga
Amphitheater in Bulla Regia
Bulla Regia in den Thermen
Bulla Regia, Haus der Jagd
Dougga
Dougga Kapitol
Mactaris Trajansbogen
Afrikanischer Baustil, von Potemkin perfektioniert ?
Thuburbo majus
Palaestrae des Petronii
Amphitheater von El Djem
Haidra ( Ammaedara) Bogen über Oued
Fußbodenheizung a la SPQR





 
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