Mehr Bilder! 60 Jahre
lang gibt es ihn nun (fast) schon, den klassischen Land Rover.
60 Jahre: Das assoziierte man - zumindest bis zur Pensionsreform
- mit jenem Alter, in dem der verdiente Ruhestand angetreten
wird. Doch bei Land Rover will man den Alten noch nicht in Rente
schicken. Zu viel hat man ihm zu verdanken, zu sehr verbindet
man den Namen Land Rover noch mit der "Ikone", dem "Urgestein",
dem - Defender. Und so gönnte man dem Wagen 2007 ein
neuerliches Upgrade - ein neuer Motor wurde vom
Ford-Konzern übernommen, ein neues Getriebe
eingebaut. Im Innenraum gab's (fast) eine Revolution -
mit neuen Sitzen, einem Armaturenbrett und verbessertem Komfort
hinsichtlich Beheizung und Klimatisierung.
Doch dieses Upgrade ist leider keine Garantie, dass es
den Defender noch weitere Jahrzehnte zu kaufen geben
wird. Bis 2010 sei die Produktion gesichert,
meldete der britische Autobauer im vergangenen Jahr. Aber danach könnte wohl Schluss mit dem Defender -
zumindest in der altbekannten Konfiguration. Warum? Weil die
Karosserieform die Installation moderner
Sicherheitsfeatures so gut wie unmöglich macht. Und weil vom
Defender pro Jahr weltweit gerade einmal 25.000 Stück
verkauft werden. Zu wenig für einen Großkonzern wie Ford, zu
wenig auch, als dass sich teure technische Weiterentwicklungen noch
rechnen würden. Letztere wären aber notwendig, um den
immer schärfer werdenden Zulassungsbestimmungen zu
entsprechen.
Doch bleiben wir in der Gegenwart - erfreuen wir uns an der
Einzigartigkeit, der gewissen Schrulligkeit, der
Souveränität des Defenders. Ins Gelände gejagt haben wir ihn
ja schon, den Neuen - und wir wurden dort ernsthaft von seiner
Leistungsfähigkeit beeindruckt. Jetzt war's für uns höchste
Zeit, ihn auch einem "Alltagstest" zu unterziehen.
Schließlich fährt man selbst mit einem Defender nicht nur im
harten Gelände.
"Wie alt ist denn der?" "Gibt's den bei uns noch zu kaufen?". Wir
ließen sie geduldig über uns ergehen, die teils süffisant/amüsierten, teils aus echter Unwissenheit heraus gestellten
Fragen unserer 4x4-unbeschlagenen Nachbarn, als sie den Defender
erstmals vor unserer Redaktion sahen. "Herrschaften", hätten wir
ihnen antworten können, "dieses Fahrzeug ist Kult, hat
Geschichte geschrieben, ist der lässigste Offroader seit
...". Und hätten in unsere weiteren Ausführungen erneut Worte
wie "Ikone" und "Urgestein" einfließen lassen. Und
die Nachbarn wären schließlich von dannen gezogen und hätten
kein Wort von dem verstanden, was wir eigentlich vermitteln
wollten. Warum man nämlich im Jahr 2008 ein Fahrzeug fährt, das
seine Ursprünge in den späten Vierzigern hat - und das auch
genau so aussieht.
Dass unter der Motorhaube ein moderner Vierzylinder-Common
Rail Diesel arbeitet, erkennt man von außen halt einfach
nicht. Nur die Fangemeinde weiß es und erkennt das 2007er-Modell
schon von weitem: Das Problem, dass der auch aus dem Transit
bekannte Motor nicht so recht in den engen Motorraum passte,
löste man nämlich mit einem dezenten Bäuchlein auf der
Motorhaube. Eine Tugend aus der Not machten schließlich auch die
Land Rover Marketinggurus: Sie gaben dem ungewöhnlichen Huckel
den mächtigen Namen "Powerdome". It's cool, man.
Dank des neuen, kräftigen Motors lässt es sich im Straßenverkehr
jedenfalls problemlos mitschwimmen - auf der Autobahn wie in der
Stadt. Auch wegen des neuen 6-Gang-Getriebe ist der Wagen
agil wie nie zuvor. Ein echter Jungbrunnen, diese
Motor/Getriebekombi. Defender zu fahren ist dennoch körperlich
anstrengend geblieben. Die mächtigen Pedale wollen richtig
getreten werden, das große Lenkrad vermittelt LKW-Feeling.
Und über den Wendekreis des Land Rovers erzählt der Fahrer des
Linienbusses, der da in Wien hinter uns abbiegen wollte, wohl
heute noch am Stammtisch. Zum Glück erleichtert die
quadratisch-praktische Karosserieform das Reversieren
aber erheblich. Die macht auch das Einparken leicht - trotz der
stolzen Länge des 110ers.
Und einen kleinen Kritikpunkt betreffend des Getriebes
wollen wir nicht vergessen: Die Schaltgasse des Retourgangs
ist zu nahe beim 1. (Vorwärts-)Gang. Verwechslungen nicht
ausgeschlossen. Panische Gesichter bei den Fahrern nachfolgender
Autos beim Ampelstart ebenfalls.
Überraschend gut ist das Fahrwerk. Erstmals in der
Geschichte, so erzählt man bei Land Rover, wurde die
Federcharakteristik an die einzelnen Modelltypen angepasst.
Unser langer 110er Station lag - für einen derart hohen und
relativ schlanken Geländewagen - auch überraschend satt auf der
Straße. Höhere Kurvengeschwindigkeiten sind in einem
solchen Fahrzeug ohne Wankausgleich naturgemäß nicht zu
empfehlen - aber seien wir uns ehrlich: Wer prügelt ein Fahrzeug
wie den Defender mit Topspeed durch Kurven? Wer so etwas will,
sollte bei X5, Touareg und Co. bleiben. Seitenhieb Ende. Insider
werden wissen, worum's geht. Wir
meinen: Hinsichtlich des Fahrwerks hat sich der Defender
durchaus gute Noten verdient.
Die Passagiere sitzen - trotz der neuen Sitzkonfiguration
- gegenüber den Vorgängermodellen nahezu unverändert. Speziell
gewöhnungsbedürftig ist der Fahrersitz. Ja, ja, der
Fahrersitz. Wir haben uns immer schon gewundert, dass der
Defender speziell bei (ein "pardon" an die Betroffenen)
schmerbäuchigen Fahrern so beliebt ist. Und wie sie hinter das
Volant des Defenders passen. Das Leder unseres "SE" (das
ist das Topmodell in der Defender-Range) war schön und auch
recht hochwertig, die Kopfstützen sind nun endlich
höhenverstellbar - die Ergonomie insgesamt ist aber
unverändert und ... gewöhnungsbedürftig eben.
Wegen der Karosserieform ist es einfach nicht möglich,
die Sitze der ersten Reihe so einzubauen, dass seitlich und im
Knieraum ausreichend Platz geschaffen wird. Größere Fahrer
stoßen mit dem Ellenbogen permanent an die Seitenscheibe, das
Lenkrad liegt auf den Oberschenkeln, das linke Knie am
Blinkerhebel. Der linke Fuß kann weiterhin nicht neben dem
Kupplungspedal abgestellt werden. Versucht man, sich durch
Neigen der Lehne ein wenig mehr Platz zu verschaffen, schaut man
als großer Fahrer plötzlich seitlich hinter der B-Säule aus dem
Auto - und der Sicherheitsgurt spannt sich 10 Zentimeter vor dem
Schlüsselbein durch das Wageninnere. Auch Airbags fehlen.
In puncto Sicherheit entspricht der Defender - siehe oben -
leider nicht mehr modernen Standards.
Überraschend hoch ist dagegen die Qualität der neuen
Sitze in der dritten Reihe: Die Sitzflächen sind im
Unterschied zum Mitbewerb vernünftig hoch über Grund angebracht
- so ist man auch dort sehr bequem untergebracht. Die beiden
Einzelsitze lassen sich noch dazu mit minimalem Kraftaufwand
seitlich wegklappen - so verbleibt auch ordentlich Platz für das
Gepäck.
Erfreulich: Die Zeiten, in denen Fahrer und Beifahrer quasi
einen direkten Blick auf die Spritzwand zwischen Motor und
Fahrgastzelle hatten, sind endgültig vorbei. Vorbei sind aber
auch die Zeiten der "ventilation flaps", der legendären
Luftklappen unter der Frontscheibe, die direkten Fahrtwind ins
Innere ließen. Sie sind einem modernen Armaturenbrett
gewichen. Die zentrale Mittelkonsole nimmt die
Bedienknöpfe des CD-Radios, der Heizung und der
(optionalen) Klimaanlage auf, die übrigens wirklich
ordentlich für Kälte sorgt. Hinter dem Lenkrad glänzt die aus
dem Discovery übernommene, schöne Instrumententafel.
So ergibt sich dann doch ein positives Gesamtbild im
Innenraum - Fans werden ihn sowieso lieben. Nicht nur
den Innenraum, sondern einfach alles am neuen Defender. Trotz
seiner Schrulligkeit. Oder vielleicht sogar genau deswegen.
Wenn Land Rover damit werben kann, dass 70 Prozent aller
jemals gebauten Fahrzeuge auch heute noch in Betrieb
sind, hat man das auch dem Enthusiasmus der Besitzer zu
verdanken. Die sich mit Hingabe der Pflege, der Restaurierung
und Erhaltung älterer Modelle widmen. So haben wir den Trost,
dass wir sicherlich noch jahrzehntelang Defender auf unseren
Straßen sehen werden - selbst wenn die Produktion von
Neufahrzeugen 2010 eingestellt werden sollte.
Wir freuen uns jedenfalls auf die Defender-Jahre, die da noch
kommen werden.
Mehr Bilder!
|