Land Rover Defender:
Raue Schale, rauer Kern ...
... und dennoch ein Kumpel auf Lebenszeit. Der Klassiker machte auf seinem Weg in die Moderne einen Zwischenstopp in unserer Redaktionsgarage.
03.11.2007
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60 Jahre lang gibt es ihn nun (fast) schon, den klassischen Land Rover. 60 Jahre: Das assoziierte man - zumindest bis zur Pensionsreform - mit jenem Alter, in dem der verdiente Ruhestand angetreten wird. Doch bei Land Rover will man den Alten noch nicht in Rente schicken. Zu viel hat man ihm zu verdanken, zu sehr verbindet man den Namen Land Rover noch mit der "Ikone", dem "Urgestein", dem - Defender. Und so gönnte man dem Wagen 2007 ein neuerliches Upgrade - ein neuer Motor wurde vom Ford-Konzern übernommen, ein neues Getriebe eingebaut. Im Innenraum gab's (fast) eine Revolution - mit neuen Sitzen, einem Armaturenbrett und verbessertem Komfort hinsichtlich Beheizung und Klimatisierung.

Doch dieses Upgrade ist leider keine Garantie, dass es den Defender noch weitere Jahrzehnte zu kaufen geben wird. Bis 2010 sei die Produktion gesichert, meldete der britische Autobauer im vergangenen Jahr. Aber danach könnte wohl Schluss mit dem Defender - zumindest in der altbekannten Konfiguration. Warum? Weil die Karosserieform die Installation moderner Sicherheitsfeatures so gut wie unmöglich macht. Und weil vom Defender pro Jahr weltweit gerade einmal 25.000 Stück verkauft werden. Zu wenig für einen Großkonzern wie Ford, zu wenig auch, als dass sich teure technische Weiterentwicklungen noch rechnen würden. Letztere wären aber notwendig, um den immer schärfer werdenden Zulassungsbestimmungen zu entsprechen.

Doch bleiben wir in der Gegenwart - erfreuen wir uns an der Einzigartigkeit, der gewissen Schrulligkeit, der Souveränität des Defenders. Ins Gelände gejagt haben wir ihn ja schon, den Neuen - und wir wurden dort ernsthaft von seiner Leistungsfähigkeit beeindruckt. Jetzt war's für uns höchste Zeit, ihn auch einem "Alltagstest" zu unterziehen. Schließlich fährt man selbst mit einem Defender nicht nur im harten Gelände.

"Wie alt ist denn der?" "Gibt's den bei uns noch zu kaufen?". Wir ließen sie geduldig über uns ergehen, die teils süffisant/amüsierten, teils aus echter Unwissenheit heraus gestellten Fragen unserer 4x4-unbeschlagenen Nachbarn, als sie den Defender erstmals vor unserer Redaktion sahen. "Herrschaften", hätten wir ihnen antworten können, "dieses Fahrzeug ist Kult, hat Geschichte geschrieben, ist der lässigste Offroader seit ...". Und hätten in unsere weiteren Ausführungen erneut Worte wie "Ikone" und "Urgestein" einfließen lassen. Und die Nachbarn wären schließlich von dannen gezogen und hätten kein Wort von dem verstanden, was wir eigentlich vermitteln wollten. Warum man nämlich im Jahr 2008 ein Fahrzeug fährt, das seine Ursprünge in den späten Vierzigern hat - und das auch genau so aussieht.

Dass unter der Motorhaube ein moderner Vierzylinder-Common Rail Diesel arbeitet, erkennt man von außen halt einfach nicht. Nur die Fangemeinde weiß es und erkennt das 2007er-Modell schon von weitem: Das Problem, dass der auch aus dem Transit bekannte Motor nicht so recht in den engen Motorraum passte, löste man nämlich mit einem dezenten Bäuchlein auf der Motorhaube. Eine Tugend aus der Not machten schließlich auch die Land Rover Marketinggurus: Sie gaben dem ungewöhnlichen Huckel den mächtigen Namen "Powerdome". It's cool, man.

Dank des neuen, kräftigen Motors lässt es sich im Straßenverkehr jedenfalls problemlos mitschwimmen - auf der Autobahn wie in der Stadt. Auch wegen des neuen 6-Gang-Getriebe ist der Wagen agil wie nie zuvor. Ein echter Jungbrunnen, diese Motor/Getriebekombi. Defender zu fahren ist dennoch körperlich anstrengend geblieben. Die mächtigen Pedale wollen richtig getreten werden, das große Lenkrad vermittelt LKW-Feeling. Und über den Wendekreis des Land Rovers erzählt der Fahrer des Linienbusses, der da in Wien hinter uns abbiegen wollte, wohl heute noch am Stammtisch. Zum Glück erleichtert die quadratisch-praktische Karosserieform das Reversieren aber erheblich. Die macht auch das Einparken leicht - trotz der stolzen Länge des 110ers.

Und einen kleinen Kritikpunkt betreffend des Getriebes wollen wir nicht vergessen: Die Schaltgasse des Retourgangs ist zu nahe beim 1. (Vorwärts-)Gang. Verwechslungen nicht ausgeschlossen. Panische Gesichter bei den Fahrern nachfolgender Autos beim Ampelstart ebenfalls.

Überraschend gut ist das Fahrwerk. Erstmals in der Geschichte, so erzählt man bei Land Rover, wurde die Federcharakteristik an die einzelnen Modelltypen angepasst. Unser langer 110er Station lag - für einen derart hohen und relativ schlanken Geländewagen - auch überraschend satt auf der Straße. Höhere Kurvengeschwindigkeiten sind in einem solchen Fahrzeug ohne Wankausgleich naturgemäß nicht zu empfehlen - aber seien wir uns ehrlich: Wer prügelt ein Fahrzeug wie den Defender mit Topspeed durch Kurven? Wer so etwas will, sollte bei X5, Touareg und Co. bleiben. Seitenhieb Ende. Insider werden wissen, worum's geht. Wir meinen: Hinsichtlich des Fahrwerks hat sich der Defender durchaus gute Noten verdient.

Die Passagiere sitzen - trotz der neuen Sitzkonfiguration - gegenüber den Vorgängermodellen nahezu unverändert. Speziell gewöhnungsbedürftig ist der Fahrersitz. Ja, ja, der Fahrersitz. Wir haben uns immer schon gewundert, dass der Defender speziell bei (ein "pardon" an die Betroffenen) schmerbäuchigen Fahrern so beliebt ist. Und wie sie hinter das Volant des Defenders passen. Das Leder unseres "SE" (das ist das Topmodell in der Defender-Range) war schön und auch recht hochwertig, die Kopfstützen sind nun endlich höhenverstellbar - die Ergonomie insgesamt ist aber unverändert und ... gewöhnungsbedürftig eben.

Wegen der Karosserieform ist es einfach nicht möglich, die Sitze der ersten Reihe so einzubauen, dass seitlich und im Knieraum ausreichend Platz geschaffen wird. Größere Fahrer stoßen mit dem Ellenbogen permanent an die Seitenscheibe, das Lenkrad liegt auf den Oberschenkeln, das linke Knie am Blinkerhebel. Der linke Fuß kann weiterhin nicht neben dem Kupplungspedal abgestellt werden. Versucht man, sich durch Neigen der Lehne ein wenig mehr Platz zu verschaffen, schaut man als großer Fahrer plötzlich seitlich hinter der B-Säule aus dem Auto - und der Sicherheitsgurt spannt sich 10 Zentimeter vor dem Schlüsselbein durch das Wageninnere. Auch Airbags fehlen. In puncto Sicherheit entspricht der Defender - siehe oben - leider nicht mehr modernen Standards.

Überraschend hoch ist dagegen die Qualität der neuen Sitze in der dritten Reihe: Die Sitzflächen sind im Unterschied zum Mitbewerb vernünftig hoch über Grund angebracht - so ist man auch dort sehr bequem untergebracht. Die beiden Einzelsitze lassen sich noch dazu mit minimalem Kraftaufwand seitlich wegklappen - so verbleibt auch ordentlich Platz für das Gepäck.

Erfreulich: Die Zeiten, in denen Fahrer und Beifahrer quasi einen direkten Blick auf die Spritzwand zwischen Motor und Fahrgastzelle hatten, sind endgültig vorbei. Vorbei sind aber auch die Zeiten der "ventilation flaps", der legendären Luftklappen unter der Frontscheibe, die direkten Fahrtwind ins Innere ließen. Sie sind einem modernen Armaturenbrett gewichen. Die zentrale Mittelkonsole nimmt die Bedienknöpfe des CD-Radios, der Heizung und der (optionalen) Klimaanlage auf, die übrigens wirklich ordentlich für Kälte sorgt. Hinter dem Lenkrad glänzt die aus dem Discovery übernommene, schöne Instrumententafel.

So ergibt sich dann doch ein positives Gesamtbild im Innenraum - Fans werden ihn sowieso lieben. Nicht nur den Innenraum, sondern einfach alles am neuen Defender. Trotz seiner Schrulligkeit. Oder vielleicht sogar genau deswegen.

Wenn Land Rover damit werben kann, dass 70 Prozent aller jemals gebauten Fahrzeuge auch heute noch in Betrieb sind, hat man das auch dem Enthusiasmus der Besitzer zu verdanken. Die sich mit Hingabe der Pflege, der Restaurierung und Erhaltung älterer Modelle widmen. So haben wir den Trost, dass wir sicherlich noch jahrzehntelang Defender auf unseren Straßen sehen werden - selbst wenn die Produktion von Neufahrzeugen 2010 eingestellt werden sollte.

Wir freuen uns jedenfalls auf die Defender-Jahre, die da noch kommen werden.

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Fotos: gelaendewagen.at
 

Der Defender in unserem Geländetest!

 

Land Rover Defender 110 SW SE
Daten und Fakten


Länge/Breite/Höhe:
4.639/1.790/1.968mm

Motor: 2,4 l Diesel mit Common-Rail-Einspritzung, 4 Zylinder, 122 PS, max. Drehmoment 360Nm bei 2.000 U/min

Höchstgeschwindigkeit:
132 km/h

Getriebe: 6-Gang-Schaltgetriebe

Verbrauch: 11,1 Liter Diesel kombiniert

Tankinhalt: 75 l

Geländeleistungen: Permanenter Allradantrieb mit Geländeuntersetzung, sperrbares Mitteldifferenzial, Böschungswinkel vorne/hinten 49°/35°, Rampenwinkel 153°, Steigfähigkeit 45°, Wattiefe 50cm, Bodenfreiheit 31,4 cm

Anhängelasten:
3.500kg/750 kg (gebremst/ungebremst)


Preis:
€ 40.480,-- ("SE"-Variante)
€ 34.980,-- (Basisvariante "E")

Preis des Testwagens: € 47.644,62
(zusätzlich mit ABS+ETC, Klimaanlage, dritter Sitzreihe,  LM-Felgen "Boost", Dach in Wagenfarbe, Micatallic-Lackierung "Java Black")
 

 

2008 gibt's bei Land Rover wie erwähnt einen Grund zum Feiern: Dann feiert man nämlich 60. Geburtstag. Wobei: Eigentlich hätten die Festivitäten schon dieses Jahr stattfinden müssen. Schließlich stellte Spencer Wilks schon 1947 den ersten Land Rover Protoypen auf seine Radial-Reifen. Aber: Land Rover rechnet erst ab 1948, als die Produktion des Land Rover Serie I anlief. Auch kein Problem - so können wir uns auf 2008 freuen und auf interessante Events anlässlich des "Runden" von Land Rover hoffen.

 

gelaendewagen.at Test Nr. 48





 
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