Tomcat by Land Serwis
 "Motor Sport Insider" Roland Firtinger hat in Ungarn eine Offroad-Begegnung der dritten Art: Fasziniert vom polnischen Lizenzbau des "Tomcat" erkundigt er sich genauer ... Herausgekommen ist ein Bericht über Piotr Kowals Firma Land Serwis, die Technik unter dem Rohrrahmen des Rallye-Kampfgerätes und, last not least, ein Fahrbericht der speziellen Art.
31.10.2006
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Es ist wieder so eine Off Road-Geschichte des KCS, der Breitler hat uns nach Ungarn verschlagen um im Umfeld von Györ mit den Teilnehmern einen Truppenübungsplatz mehr als nur in Augenschein zu nehmen. Die Jungs fahren sich also den A.... heiß, winchen sich durch dorniges Gesträuch und queren robbender Weise Schlammlöcher, in denen glatt ganze LKW-Züge versenkt werden können. Einige Polen mit Jeeps sind auch da, schlagen sich recht tapfer, klingen nur im Fluchen ein bissl anders. Polen und Jeeps? Nein, nicht alle. Da ist noch was anderes dabei. Sieht aus wie ein Land Rover Defender, aber nur von der Weite, beim näheren Betrachten kann´s das auch nicht sein. Oder doch? Steht zwar nicht Land Rover drauf, sondern Land Serwis, schaut zumindest in der vorderen Maske dem Defender ähnlich, hat aber sonst eher mit einem Spezial-Gerät á la Dakar zu tun.

Wir stehen um dem Tomcat des Teams Mucha/Gwizdowski, dank der Erfindung des Photo-Handy klickt es andauernd irgendwo, sogar die Radkästen sind nicht sicher. Dann kommt der Mucha endlich daher, lächelt smart und versteht als Pole – aus der Nähe von Krakau kommend – kein Wort deutsch. Dafür aber englisch, bruchstückhaft und mit langen Pausen. Worte sammeln. Ja, sagt er, dies ist ein Land Rover. Ein ganz spezieller, zeigt mit dem Finger zum Aufkleber von Land Serwis – und da wird er gemacht. Was heißt „gemacht“? Aufgebaut? Eingebaut? Umgebaut? Das versteht der Mucha schon wieder nicht mehr und ist schon ein wenig erleichtert, als ihn Copilot Gwizdowski etwas sagt, was wie „wir sollten uns zur zweiten Etappe fertig machen“ klingt. In polnisch natürlich. Was sonst wiederum keiner versteht.

Sie entern den Tomcat, wer nun ein brüllendes, fauchendes, sprotzendes – quasi Gift und Galle spuckendes – Tier von einem Off Roader erwartet hat, wird bitter enttäuscht. Der Motor schnurrt wie ein Kater wenn er seine Milch haben will und ist weit ab von einem Selbstzünder, die in dieser Sparte Motorsport schon allein wegen des Drehmoments recht gerne unter die Haube gepackt werden. Der Mucha plärrt noch was hinter dem Stoffgitter des Fensters, das im polnisch/englischem Slang heißen könnt´: „reden wir später weiter“ und treibt die Grobstolligen an, zwei Furchen über die Wiese ziehend, um zum Vorstart zu gelangen.

Ein Tomcat also. Das gedankliche Abrufen der eigenen Festplatte fördert zu Tage: Am Besten, Sie vergessen alles, was Sie über Off Road und die da gefahrene Geschwindigkeit wissen. Und denken Sie nicht einmal im Traum daran, bereits erschlossene Erfahrungswerte in die Waagschale werfen zu wollen. Vielmehr wäre es besser, sich einmal schlau zu machen, was denn ein Tomcat eigentlich sein kann. Aha, ein Kampfjet. So, so. Ist ja recht gut - aber völlig falsch. Zumindest in unserem Fall. Wir bleiben mehr auf der Erde, wobei dies auch wiederum nicht so ganz richtig ist. Alles verstanden? Nein? Kein Wunder! Wir beginnen ganz von vorne…

Tomcat Motorsport ist eine kleine aber feine Schmiede für Off Road-Rennfahrzeuge auf der Basis von Land- und Range Rover in Großbritannien. Okay, dies hätten wir uns gleich denken können, denn niemand anders als die rennverrückten Engländer würden jemals auf die Idee kommen, aus einem Urgestein – wie es der Defender nun wirklich ist – eine Rennmaschine machen zu wollen. Aber sei´s drum, mittlerweile sind allein auf der Insel mehr als 700 Tomcats unterwegs, alle mehr oder minder getunt, umgebaut oder rennerprobt.

Piotr Kowal ist ein umsichtiger Mann. Und Pole. Wieliczka ist ein Städtchen, ein wenig außerhalb Krakaus, da hat er seinen Firmensitz. Und da baut er seit Jahren Off Roader, die meist allesamt eines gemeinsam haben: Sie basieren größtenteils auf Land- oder Range Rover. Merken Sie was? Genau, der Pole hat 2003 von Tomcat Motorsport eine Lizenz für Aufbau und Verkauf von Tomcat-Komponenten erhalten und ist seither recht rege im Geschäft. Auch über die Grenzen seiner Heimat hinweg und dank Internet mit der leicht zu merkenden Kürzung – www.lr.pol – macht sich Kowals Manufaktur bereits einen Namen. Die Firma – Land Serwis natürlich – hat nicht nur Off Road-begeisterte Motorsportler auf ihrer Seite, sondern auch die Tatsache, daß in Polen nicht sofort jeder Waidmann bewußtlos aus den Latschen kippt und auch nicht jeder Forstbeamte primär gegen alles ist, will man eine Veranstaltung aufziehen, die einige Waldabschnitte miteinbezieht.

Früher - erklärt Kowal - früher habe man auf bestehende Chassis homologierte Sicherheitskäfige geschraubt. Da der Kastenrahmen eines Range Rover Classic und auch vorwiegend eines Discovery I, eine sehr gute Basis bilden. Verwindungsfrei und sehr steif in der Gesamtkonzeption, brauchte es nur mehr den Käfig und die Verkleidung, bzw. die Karosse, wenn es dem Original wieder gleichen sollte. Was allerdings auch nicht wenig Arbeit war, schließlich mußte der jeweilige Basis-Träger zuerst in seine Einzelteile zerlegt werden um die Motorsport-Goddies einzupflanzen. Dann wiederum mußte man die Karosse und das Innenleben, so gewünscht, anpassen, was mitunter in einer unsäglichen Schnippselei ausartet und mehr als zeitaufwendig ist.

Angespornt durch Tomcat-Motorsport hat Kowals Firma Land Serwis daher einen komplett eigenen Rohrrahmen entwickelt, der für verschiedenste Motor-Getriebe- und Achs-Kombinationen tauglich ist. Grundvoraussetzung war die hohe Steifigkeit und ein großes Sicherheitspotential dieser Zelle, sind doch Sprünge über 20, 30 Meter keine Seltenheit und da wär´s nicht grad angenehm, sollte sich was verbiegen. Grundsätzlich ist es so, daß Tomcat Motorsport – und darum auch Kowals Firma Land Serwis – Off Road-Anbauteile wie Stoßdämpfer, Sperren, Differentiale und die Sicherheits-Features nicht selbst erzeugt, sondern sich dazu namhafter Hersteller in der ganzen Welt für den jeweiligen Zweck bedient und alle Goodies auf einander abstimmt – quasi aus vielen verschiedenen Spezial-Einheiten ein rennfertiges Ganzes macht. Der von uns gefahrene Tomcat verfügte daher über ein vierstufiges Automatik-Getriebe von ZF, welches auch über eine mechanische Schaltebene verfügt. Die Kraft wird dann über ein zentrales Verteilergetriebe von Torson an die Achsen geleitet, die jeweils mit einem Viersatelliten-Differential bestückt sind. Die bis zu hundertprozentigen Sperren dafür kommen von der australischen Firma Maxi Drive, die Federn von King Springs, für die Bremsen vertrauen und verbauen Kowal und seine Mannen Produkte von EBC Brakes. Die Winde – im schweren Gelände unabdingbar weil grade da fühlt sich Tom´s Katze erst richtig wohl, stammt von dem ebenfalls nicht unbekannten Hersteller Warn.

Ein besonderes Gustostückerl aber sind die von Öhlins stammenden Dämpfer. Der schwedische Hersteller – mittlerweile zu 100 Prozent im Besitz von Yamaha! – wurde im Motocross-Sport groß und sowas ist auch bei off Roadern mitunter hilfreich. Denn bei den Zweirädern blieb man nicht lange, Prodrive - das Subaru-Rallye-Werksteam um David Richards – vertraute als eine der Ersten aus dem Automobilsport auf die Fähigkeiten der Schweden, mittlerweile ist Öhlins eine angesagte Adresse wenn es um das Besondere geht, wie im Falle eines Tomcat der Extraklasse. Denn diese Dämpfer dämpfen nicht nur, was zwar ihre vordergründige Aufgabe ist, sondern sind auch ein Gutteil mitbestimmend bezüglich Fahrwerk, daher auch auf den gesamten Fahrbereich, unabhängig der Geschwindigkeit. Land Serwis – stets neuen Technologien aufgeschlossen - nutzt elektronisch-zentralgerechnete Dämpfer. Alles verstanden? Nein? Kein Wunder. Wir nämlich auch nicht.

Daher die Funktion: zu jedem Dämpfer sowie an jedem Radträger gibt es Sensoren, welche Daten über Bodenhaftung, Gierrate, Einschlagwinkel, Berührungswiderstand des Reifen (Schlupf) usw., an einen Zentralrechner sendet, der im hinteren Teil der Tomcat, beifahrerseitig wie wasserdicht und vor dem liegend montiertem Reserverad sitzt. Dieser berechnet in Millisekunden und sagt damit jedem der pro Rad montierten Dämpfer, was zu tun ist – die Wirkung ist beinah phänomenal. Man brettert über eine bucklige Wiese mit einem Affenzahn, den sich andere nicht auf der Autobahn zu fahren getrauen. Und beide Fahrzeuge – Limousine auf der Autobahn und Tomcat auf der Wiese - sind bei gleicher Geschwindigkeit auch in der selben, stabilen-ruhigen Lage. Selbst bei einem Sprung – hoch oder weit, dies ist egal – kann der Rechner durch Daten aus Geschwindigkeit, Anpreßdruck bei Absprung und einigen Nebensächlichkeiten wie Luftdruck in den Reifen, welche von BF Goodrich stammen und eine Dimension von 235/85 aufweisen – die ideale Dämpferfestigung zur Landung voreinstellen. Was im Dunklen bleibt ist die Unterlage beim Aufschlag, der Rechner geht dafür immer von der selben Festigkeit aus, wie jene zum Zeitpunkt des Absprungs bestimmend war, kann aber mittels Laptop auch auf einen Mittelwert fixiert werden. Fröhliches durch die Gegend hupfen, kann man da nur sagen.

Vielleicht ist es die Mixtur aus Hich Tech und gestandener Technik, die einen Tomcat ausmachen. Denn der Motor ist im Gegensatz zu den Öhlins-Dämpfern, Low-Tech par excellance. Wer hier das Wunderwerk eines Trieblings vermutet hat, irrt schon wieder. Wir nehmen uns nicht aus. Tatsache ist: Ein simpler Benzin-V8, wie er im Range Rover Classic jahrelang verbaut wurde, dient als Kraftquelle. Mehr als viereinhalb Liter Hubraum sorgen für seidiges Ansprechverhalten, auch wenn aus den originalen 180 PS bei Land Serwis mittels einer Feinabstimmung gepflegt galoppierende 250 Pferde werden. In weiten Bereichen bleibt der Motor original, was Standfestigkeit und Zuverlässigkeit bringt, mehr – so sagt Piotr Kowal – mehr braucht es wirklich nicht, zumal der fixfertige Tomcat gerade mal 1.460 Kilogramm auf die Waage bringt.

Und dann: Fertig zum Tiefflug? Kowal, der Ruhige und Besonnene, lächelt erstmals – wären wir Übles ahnend, würden wir sagen, er grinst verschmitzt. Eigentlich verspricht der Parcour - im Schloßpark unseres Dominizils (siehe Seite 51) - nichts Gutes, aber warum ist keiner nervös? Zuerst werden der hochherrschaftlichen Schloßwiese einige Grasbüschel ausgerupft, dann geht es über die Kante ins Nichts – darunter liegt - zwei bis drei Meter tiefer - morastiges Geläuf für satten Aufschlag, drüben ein schnelles Flic-Flac-Gewusel als High-Speed Selektion inklusive Wende, dann das Ganze retour. Wobei die Kante damit zur Flugschanze wird - Luftstand geschätzt: eineinhalb bis zwei Meter, für die Länge haben wir keine Weitenmesser á la Finnland-Rallye aufgestellt.

Sitzschale hart – der Popo-Meter wird also einiges mitbekommen – Sechspunkt-Gurt, griffiges Lenkrad. Der Motor greift schon von ganz unten mit richtig Schmalz, der Tomcat geht von der Linie, als hätte er an einem starken Gummibandl gehangen. Gespannt natürlich. Die Wiese ist in den Handgelenken kaum zu spüren, zieht sich unter dem Off Roader immer schneller werdend weg, die Kante. Flaues Gefühl im Magen hat nur wenig Zeit, es klatscht, rutscht, schlingert und gräbt – später wird dann das Kreuz weh tun, jetzt ist keine Zeit. Im Flic-Flac folgt die Katze jedem Millimeter am Lenkrad, weiß man mit den Wankbewegungen umzugehen, beginnt es Spaß zu machen. Im tiefen Teil nach der Wende dann die eigenen Spuren aber nix da mit Selbstbewunderung, die Kante in der anderen Richtung – vorerst nur Himmel, dann Wiese, dann ein sattes Aufschlagen – alles jederzeit beherrschbar, aber nach Sichtung der Fotos unglaublich. Und der Piotr Kowal? Er lacht jetzt noch ein wenig breiter, seine umstehenden Mechaniker sind richtig gut aufgelegt. Unsereins trinkt jetzt aus der Flasche – aus einem Glas würd´ man nach so einem Ritt zuviel verschütten…

Text: Roland Firtinger

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Text: Roland Firtinger, Chefredakteur "Motor Sport Insider"

 

Fotos: Land Serwis





 
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