"Motor Sport Insider" Roland Firtinger hat in Ungarn eine
Offroad-Begegnung der dritten Art: Fasziniert vom polnischen
Lizenzbau des "Tomcat" erkundigt er sich genauer ...
Herausgekommen ist ein Bericht über Piotr Kowals Firma Land
Serwis, die Technik unter dem Rohrrahmen des Rallye-Kampfgerätes
und, last not least, ein Fahrbericht der speziellen Art.
Es ist wieder so eine Off Road-Geschichte des KCS, der Breitler
hat uns nach Ungarn verschlagen um im Umfeld von Györ mit den
Teilnehmern einen Truppenübungsplatz mehr als nur in Augenschein
zu nehmen. Die Jungs fahren sich also den A.... heiß, winchen
sich durch dorniges Gesträuch und queren robbender Weise
Schlammlöcher, in denen glatt ganze LKW-Züge versenkt werden
können. Einige Polen mit Jeeps sind auch da, schlagen sich recht
tapfer, klingen nur im Fluchen ein bissl anders. Polen und
Jeeps? Nein, nicht alle. Da ist noch was anderes dabei. Sieht
aus wie ein Land Rover Defender, aber nur von der Weite, beim
näheren Betrachten kann´s das auch nicht sein. Oder doch? Steht
zwar nicht Land Rover drauf, sondern Land Serwis, schaut
zumindest in der vorderen Maske dem Defender ähnlich, hat aber
sonst eher mit einem Spezial-Gerät á la Dakar zu tun.
Wir stehen um dem Tomcat des Teams Mucha/Gwizdowski, dank der
Erfindung des Photo-Handy klickt es andauernd irgendwo, sogar
die Radkästen sind nicht sicher. Dann kommt der Mucha endlich
daher, lächelt smart und versteht als Pole – aus der Nähe von
Krakau kommend – kein Wort deutsch. Dafür aber englisch,
bruchstückhaft und mit langen Pausen. Worte sammeln. Ja, sagt
er, dies ist ein Land Rover. Ein ganz spezieller, zeigt mit dem
Finger zum Aufkleber von Land Serwis – und da wird er gemacht.
Was heißt „gemacht“? Aufgebaut? Eingebaut? Umgebaut? Das
versteht der Mucha schon wieder nicht mehr und ist schon ein
wenig erleichtert, als ihn Copilot Gwizdowski etwas sagt, was
wie „wir sollten uns zur zweiten Etappe fertig machen“ klingt.
In polnisch natürlich. Was sonst wiederum keiner versteht.
Sie entern den Tomcat, wer nun ein brüllendes,
fauchendes, sprotzendes – quasi Gift und Galle spuckendes – Tier
von einem Off Roader erwartet hat, wird bitter enttäuscht. Der
Motor schnurrt wie ein Kater wenn er seine Milch haben will und
ist weit ab von einem Selbstzünder, die in dieser Sparte
Motorsport schon allein wegen des Drehmoments recht gerne unter
die Haube gepackt werden. Der Mucha plärrt noch was hinter dem
Stoffgitter des Fensters, das im polnisch/englischem Slang
heißen könnt´: „reden wir später weiter“ und treibt die
Grobstolligen an, zwei Furchen über die Wiese ziehend, um zum
Vorstart zu gelangen.
Ein Tomcat also. Das gedankliche Abrufen der eigenen Festplatte
fördert zu Tage: Am Besten, Sie vergessen alles, was Sie über
Off Road und die da gefahrene Geschwindigkeit wissen. Und denken
Sie nicht einmal im Traum daran, bereits erschlossene
Erfahrungswerte in die Waagschale werfen zu wollen. Vielmehr
wäre es besser, sich einmal schlau zu machen, was denn ein
Tomcat eigentlich sein kann. Aha, ein Kampfjet. So, so. Ist ja
recht gut - aber völlig falsch. Zumindest in unserem Fall. Wir
bleiben mehr auf der Erde, wobei dies auch wiederum nicht so
ganz richtig ist. Alles verstanden? Nein? Kein Wunder! Wir
beginnen ganz von vorne…
Tomcat Motorsport ist eine kleine aber feine Schmiede
für Off Road-Rennfahrzeuge auf der Basis von Land- und Range
Rover in Großbritannien. Okay, dies hätten wir uns gleich
denken können, denn niemand anders als die rennverrückten
Engländer würden jemals auf die Idee kommen, aus einem Urgestein
– wie es der Defender nun wirklich ist – eine Rennmaschine
machen zu wollen. Aber sei´s drum, mittlerweile sind allein auf
der Insel mehr als 700 Tomcats unterwegs, alle mehr oder minder
getunt, umgebaut oder rennerprobt.
Piotr Kowal ist ein umsichtiger Mann. Und Pole. Wieliczka
ist ein Städtchen, ein wenig außerhalb Krakaus, da hat er
seinen Firmensitz. Und da baut er seit Jahren Off Roader, die
meist allesamt eines gemeinsam haben: Sie basieren größtenteils
auf Land- oder Range Rover. Merken Sie was? Genau, der Pole hat
2003 von Tomcat Motorsport eine Lizenz für Aufbau und Verkauf
von Tomcat-Komponenten erhalten und ist seither recht rege
im Geschäft. Auch über die Grenzen seiner Heimat hinweg und dank
Internet mit der leicht zu merkenden Kürzung – www.lr.pol –
macht sich Kowals Manufaktur bereits einen Namen. Die Firma –
Land Serwis natürlich – hat nicht nur Off Road-begeisterte
Motorsportler auf ihrer Seite, sondern auch die Tatsache, daß in
Polen nicht sofort jeder Waidmann bewußtlos aus den Latschen
kippt und auch nicht jeder Forstbeamte primär gegen alles ist,
will man eine Veranstaltung aufziehen, die einige Waldabschnitte
miteinbezieht.
Früher - erklärt Kowal - früher habe man auf bestehende
Chassis homologierte Sicherheitskäfige geschraubt. Da der
Kastenrahmen eines Range Rover Classic und auch vorwiegend eines
Discovery I, eine sehr gute Basis bilden. Verwindungsfrei und
sehr steif in der Gesamtkonzeption, brauchte es nur mehr den
Käfig und die Verkleidung, bzw. die Karosse, wenn es dem
Original wieder gleichen sollte. Was allerdings auch nicht wenig
Arbeit war, schließlich mußte der jeweilige Basis-Träger zuerst
in seine Einzelteile zerlegt werden um die Motorsport-Goddies
einzupflanzen. Dann wiederum mußte man die Karosse und das
Innenleben, so gewünscht, anpassen, was mitunter in einer
unsäglichen Schnippselei ausartet und mehr als zeitaufwendig
ist.
Angespornt durch Tomcat-Motorsport hat Kowals Firma Land Serwis
daher einen komplett eigenen Rohrrahmen entwickelt, der
für verschiedenste Motor-Getriebe- und Achs-Kombinationen
tauglich ist. Grundvoraussetzung war die hohe Steifigkeit und
ein großes Sicherheitspotential dieser Zelle, sind doch Sprünge
über 20, 30 Meter keine Seltenheit und da wär´s nicht grad
angenehm, sollte sich was verbiegen. Grundsätzlich ist es so,
daß Tomcat Motorsport – und darum auch Kowals Firma Land Serwis
– Off Road-Anbauteile wie Stoßdämpfer, Sperren, Differentiale
und die Sicherheits-Features nicht selbst erzeugt, sondern sich
dazu namhafter Hersteller in der ganzen Welt für den jeweiligen
Zweck bedient und alle Goodies auf einander abstimmt – quasi aus
vielen verschiedenen Spezial-Einheiten ein rennfertiges Ganzes
macht. Der von uns gefahrene Tomcat verfügte daher über ein
vierstufiges Automatik-Getriebe von ZF, welches auch über
eine mechanische Schaltebene verfügt. Die Kraft wird dann über
ein zentrales Verteilergetriebe von Torson an die Achsen
geleitet, die jeweils mit einem Viersatelliten-Differential
bestückt sind. Die bis zu hundertprozentigen Sperren
dafür kommen von der australischen Firma Maxi Drive, die
Federn von King Springs, für die Bremsen vertrauen und
verbauen Kowal und seine Mannen Produkte von EBC Brakes.
Die Winde – im schweren Gelände unabdingbar weil grade da fühlt
sich Tom´s Katze erst richtig wohl, stammt von dem ebenfalls
nicht unbekannten Hersteller Warn.
Ein besonderes Gustostückerl aber sind die von Öhlins
stammenden Dämpfer. Der schwedische Hersteller –
mittlerweile zu 100 Prozent im Besitz von Yamaha! – wurde im
Motocross-Sport groß und sowas ist auch bei off Roadern mitunter
hilfreich. Denn bei den Zweirädern blieb man nicht lange,
Prodrive - das Subaru-Rallye-Werksteam um David Richards –
vertraute als eine der Ersten aus dem Automobilsport auf die
Fähigkeiten der Schweden, mittlerweile ist Öhlins eine angesagte
Adresse wenn es um das Besondere geht, wie im Falle eines Tomcat
der Extraklasse. Denn diese Dämpfer dämpfen nicht nur, was zwar
ihre vordergründige Aufgabe ist, sondern sind auch ein Gutteil
mitbestimmend bezüglich Fahrwerk, daher auch auf den gesamten
Fahrbereich, unabhängig der Geschwindigkeit. Land Serwis – stets
neuen Technologien aufgeschlossen - nutzt
elektronisch-zentralgerechnete Dämpfer. Alles verstanden? Nein?
Kein Wunder. Wir nämlich auch nicht.
Daher die Funktion: zu jedem Dämpfer sowie an jedem Radträger
gibt es Sensoren, welche Daten über Bodenhaftung, Gierrate,
Einschlagwinkel, Berührungswiderstand des Reifen (Schlupf) usw.,
an einen Zentralrechner sendet, der im hinteren Teil der
Tomcat, beifahrerseitig wie wasserdicht und vor dem liegend
montiertem Reserverad sitzt. Dieser berechnet in Millisekunden
und sagt damit jedem der pro Rad montierten Dämpfer, was zu tun
ist – die Wirkung ist beinah phänomenal. Man brettert über eine
bucklige Wiese mit einem Affenzahn, den sich andere nicht auf
der Autobahn zu fahren getrauen. Und beide Fahrzeuge – Limousine
auf der Autobahn und Tomcat auf der Wiese - sind bei gleicher
Geschwindigkeit auch in der selben, stabilen-ruhigen Lage.
Selbst bei einem Sprung – hoch oder weit, dies ist egal – kann
der Rechner durch Daten aus Geschwindigkeit, Anpreßdruck bei
Absprung und einigen Nebensächlichkeiten wie Luftdruck in den
Reifen, welche von BF Goodrich stammen und eine Dimension von
235/85 aufweisen – die ideale Dämpferfestigung zur Landung
voreinstellen. Was im Dunklen bleibt ist die Unterlage beim
Aufschlag, der Rechner geht dafür immer von der selben
Festigkeit aus, wie jene zum Zeitpunkt des Absprungs bestimmend
war, kann aber mittels Laptop auch auf einen Mittelwert fixiert
werden. Fröhliches durch die Gegend hupfen, kann man da nur
sagen.
Vielleicht ist es die Mixtur aus Hich Tech und gestandener
Technik, die einen Tomcat ausmachen. Denn der Motor ist im
Gegensatz zu den Öhlins-Dämpfern, Low-Tech par excellance. Wer
hier das Wunderwerk eines Trieblings vermutet hat, irrt schon
wieder. Wir nehmen uns nicht aus. Tatsache ist: Ein simpler
Benzin-V8, wie er im Range Rover Classic jahrelang
verbaut wurde, dient als Kraftquelle. Mehr als viereinhalb Liter
Hubraum sorgen für seidiges Ansprechverhalten, auch wenn aus den
originalen 180 PS bei Land Serwis mittels einer
Feinabstimmung gepflegt galoppierende 250 Pferde
werden. In weiten Bereichen bleibt der Motor original, was
Standfestigkeit und Zuverlässigkeit bringt, mehr – so sagt Piotr
Kowal – mehr braucht es wirklich nicht, zumal der fixfertige
Tomcat gerade mal 1.460 Kilogramm auf die Waage bringt.
Und dann: Fertig zum Tiefflug? Kowal, der Ruhige und
Besonnene, lächelt erstmals – wären wir Übles ahnend, würden wir
sagen, er grinst verschmitzt. Eigentlich verspricht der Parcour
- im Schloßpark unseres Dominizils (siehe Seite 51) - nichts
Gutes, aber warum ist keiner nervös? Zuerst werden der
hochherrschaftlichen Schloßwiese einige Grasbüschel ausgerupft,
dann geht es über die Kante ins Nichts – darunter liegt - zwei
bis drei Meter tiefer - morastiges Geläuf für satten Aufschlag,
drüben ein schnelles Flic-Flac-Gewusel als High-Speed Selektion
inklusive Wende, dann das Ganze retour. Wobei die Kante damit
zur Flugschanze wird - Luftstand geschätzt: eineinhalb bis zwei
Meter, für die Länge haben wir keine Weitenmesser á la
Finnland-Rallye aufgestellt.
Sitzschale hart – der Popo-Meter wird also einiges mitbekommen –
Sechspunkt-Gurt, griffiges Lenkrad. Der Motor greift schon von
ganz unten mit richtig Schmalz, der Tomcat geht von der Linie,
als hätte er an einem starken Gummibandl gehangen. Gespannt
natürlich. Die Wiese ist in den Handgelenken kaum zu spüren,
zieht sich unter dem Off Roader immer schneller werdend weg, die
Kante. Flaues Gefühl im Magen hat nur wenig Zeit, es klatscht,
rutscht, schlingert und gräbt – später wird dann das Kreuz weh
tun, jetzt ist keine Zeit. Im Flic-Flac folgt die Katze jedem
Millimeter am Lenkrad, weiß man mit den Wankbewegungen
umzugehen, beginnt es Spaß zu machen. Im tiefen Teil nach der
Wende dann die eigenen Spuren aber nix da mit Selbstbewunderung,
die Kante in der anderen Richtung – vorerst nur Himmel, dann
Wiese, dann ein sattes Aufschlagen – alles jederzeit
beherrschbar, aber nach Sichtung der Fotos unglaublich. Und der
Piotr Kowal? Er lacht jetzt noch ein wenig breiter, seine
umstehenden Mechaniker sind richtig gut aufgelegt. Unsereins
trinkt jetzt aus der Flasche – aus einem Glas würd´ man nach so
einem Ritt zuviel verschütten…