Ende Februar haben wir ihn nach einer Senegal-Tour in Gambia
abgestellt, Anfang November übernehmen wir ihn wieder – unseren
Mitsubishi L300 Td 4x4, 17 Jahre alt, 180.000 km auf dem
Buckel, aber frisch gewaschen. Diesmal wollen wir nach Guinea
durch das Futa-Djalon-Gebirge und das Nigerbecken weiter nach
Mali. Über Tambacounda und den senegalesischen Nationalpark
Niokolo-Koba erreichen wir Kedougou.
Von dort aus führt keine Teerstraße weiter nach Süden, nach
Guinea. Stattdessen holpern wir auf einer anfangs gut
befahrbaren Piste auf das Massif de Tamgué zu. An dessen
Anstieg sind schon größere Fahrzeuge gescheitert, wie die
herumliegenden Fahrzeugteile und Lkw-Achsen bezeugen. Wir
staunen, wie problemlos unser Mitsubishi die Felstreppen
erklimmt. Oben angekommen überfällt uns ein blutrünstiger
Tsetse-Fliegenschwarm, der mühelos mit unserer Geschwindigkeit
mithält und so dafür sorgt, dass wir zur Vermeidung
schmerzhafter Stiche mit geschlossenen Fenstern fahren müssen.
Kein wirkliches Vergnügen bei 38 Grad im nicht vorhandenen
Schatten. Da ist es schon sehr viel angenehmer in der Gras
gedeckten und luftigen Rundhütte des senegalesischen
Grenzpolizisten. Auch die Einreise nach Guinea, einige Kilometer
weiter in Fongolembi, verläuft problemlos. Keine Spur von
Zollkaution, Geheimpolizei und was sonst noch im Reiseführer
steht. Wichtig ist allein die in Gambia für Guinea ausgestellte
Fahrgenehmigung, die gibt es nämlich trotz anders lautender
Botschaftsauskunft nicht an der Grenze! Weiter geht’s nach
Süden, die in der vorangegangenen Regenzeit aufgeweichte
Laterit-Piste weist erhebliche Schäden und von schweren Lkws
tief ausgefahrene Spurrinnen auf.
Oft bleibt uns keine andere Wahl, als den Mitsubishi auf dem
Mittelgrat und einem Randstreifen durch die gröbsten Löcher zu
balancieren. Gelegenheiten für gefährliche Schräglagen bieten
sich in großer Zahl.
Das Fouta-Djalon-Gebirge hat nicht nur reichen
Baumbewuchs, sondern auch viele kleinere Flüsschen, die alle
überquert werden wollen. Es gibt fast immer eine Brücke in mehr
oder weniger gutem Zustand, nur die Auffahrtsrampe ist nicht
immer vorhanden. Vor einer Brücke wissen wir endgültig nicht
mehr, wie wir rüberkommen sollen.
Wir staunen nicht schlecht, als ein mit 16 Personen besetzter
Peugeot 504 Familiale auftaucht. Die Passagiere steigen aus,
bzw. klettern vom hoch beladenen Dachträger, begrüßen uns und
gehen zu Fuß über die Brücke, warten geduldig auf der anderen
Seite auf ihr Taxi. Der Zustand des jetzt leeren Fahrzeugs gibt
uns zu denken: Nur noch Lackreste auf dem hundertfach
ausgebeulten Blech, keinerlei Innenverkleidung, Sitzbänke ohne
Polster, nur alte Decken auf dem Drahtgestühl, keine
Scheinwerfer, kein Blinker, vier profillose Reifen mit teilweise
mehrfach genähter Karkasse - mit diesem Wagen würde ich gerne
mal beim TÜV vorfahren. Der Fahrer findet endlich einen
Wagenheber, legt Steine vor und hinter die Räder und bockt den
Peugeot auf. Er nimmt die Vorderräder ab, wir trauen unseren
Augen nicht, als wir die an einem Draht baumelnden Bremsbeläge
entdecken. Der Fahrer setzt die Beläge wieder in die Schächte
und befestigt sie mit Draht. Dann holt er eine Flasche Wasser
aus dem zu überquerenden Fluß und füllt mit den Worten "Il fait
un peu chaud aujourd’hui" den bereits trocken gelaufenen Kühler
auf. Dann wirft er ein paar herumliegende Palmwedel in die
Fragmente der Auffahrtsrampe zur Brücke, startet den Wagen mit
verächtlichem Blick auf uns Weicheier, schießt unter erheblichem
Krachen und Ächzen des Peugeots die Rampe hinauf und über die
zur Kante fehlenden 20 cm mit reichlich Schwung. Die Passagiere
beladen das Taxi wieder, während der Fahrer zurückkommt und uns
anbietet, unseren Mitsubishi über die Brücke zu fahren! Wir
lehnen dankend ab und legen lieber Steine.
Das Taxi ist längst über alle Berge, als wir den L300
vorsichtig über die Brücke bugsieren. Über alle Berge? Nach nur
3 km stehen 15 Leute auf der Piste und warten auf die Reparatur
des Taxis durch den Fahrer... Im weiteren Verlauf treffen wir
auf verschiedene liegen gebliebene Fahrzeuge. Diese werden nicht
etwa abgeschleppt oder zur Seite geschoben, sie werden an Ort
und Stelle zerlegt und das benötigte Ersatzteil per Buschtaxi
aus dem fernen Conakry besorgt. Der übrige Verkehr bahnt
sich eine neue Piste durch den Busch, bis das Ersatzteil
eintrifft. Damit das Pannenfahrzeug nicht etwa ausgeschlachtet
wird oder die Ladung verschwindet, bleibt der Beifahrer beim
Fahrzeug, tagelang mit Minimalverpflegung.
Ständig sehen wir Rauchwolken, mal fern, mal nah – und manchmal
fahren wir mitten durchs Feuer! Gut, dass wir keinen Benziner
haben. Die Suche nach einem Übernachtungsplatz gestaltet sich so
etwas schwierig: Es kommen nur Lichtungen in Frage, wo die
Flammen keine Nahrung finden, oder die bereits abgebrannt sind.
Wir schlafen jedenfalls nicht nur wegen der Temperaturen
unruhig...
Dabei sind die Temperaturen gerade im Fouta-Djalon
durchaus erträglich, weil wir uns ständig auf 1000 bis 1500
Metern Höhe bewegen. Die phantastische Bergkulisse lässt sich
meist nur erahnen, entweder sieht man den Wald vor lauter Bäumen
nicht, uns ständig auf 1000 bis 1500 Metern Höhe bewegen. Die
phantastische Bergkulisse lässt sich meist nur erahnen, entweder
sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, oder es ist so
diesig, dass man den gegenüberliegenden Bergrücken nicht
erkennt.
Unsere Brotvorräte schrumpfen, wir müssen nach Maliville
um Geld zu tauschen. Die in Westafrika weit verbreiteten
CFA-Francs nützen hier nichts, hier gilt der Guinea-Franc. In
Maliville suchen wir vergeblich nach der auf Werbetafeln
angepriesenen Bank – n’éxiste plus! Wir haben viele Euro und
doch kein Geld, aber Hunger. Wir fragen mal bei der Polizei im
Ort, und sofort werden wir von einem Polizisten zum
Schwarztausch eskortiert. Der Polizist passt auf, dass wir auch
einen ordentlichen Kurs bekommen. Wir tauschen nur 50 Euro, aber
das Bündel Guinea-Francs passt nicht in die Hosentasche.
Frische Zwiebeln kaufen wir, Tomaten, Bananen und gekochte Eier,
dazu das beste Brot von Westafrika für verblüffend wenig Geld.
Baignets (eine Art Krapfen) für umgerechnet 2 Cent. Ebenso
verblüffend finden wir, dass wir auf dem Markt gar nicht groß
beachtet werden, wir können ungehindert durch das Dorf
schlendern, nicht einmal die Kinder betteln – eine völlig neue
Erfahrung in Schwarzafrika. Gleichfalls ungewohnt: Um die
Ortschaften herum und im gesamten Fouta-Djalon liegt absolut
kein sichtbarer Müll! Keine Plastiktüten, keine Plastiklatschen,
einfach nichts! Wir kommen allmählich ins Grübeln, wo wir
unseren Müll deponieren können. Löcher graben geht nicht, unser
Klappspaten kapituliert vor dem betonharten Lateritboden -
bleibt nur „thermisches Recycling“.
In Labe erreichen wir die Teerstraße, nahezu
erschütterungsfrei „schweben“ wir der Tankstelle entgegen, wo
Monsieur Shell 2 Liter mehr in den Tank gefüllt haben will, als
er überhaupt fasst. Und es war ja noch ein Rest im Tank. Wir
verbuchen die Differenz als Eintrittsgeld. Von Kedougou bis Labe
sind wir genau 359 km Trialstrecke gefahren, laut GPS waren es
gerade mal 132 km Luftlinie!
So viel geballte Zivilisation ist kaum auszuhalten. Wir bunkern
Lebensmittel und fahren wieder auf Pisten über Lelouma an den
Chute de la Sala. Dank der extrem unwegigen Zufahrt ist die
Felsenplattform mit Aussicht auf den Wasserfall verwaist und wir
übernachten gleich an Ort und Stelle.
Auf der Rückfahrt nach Labe wirbeln wir so viel Staub von der
Piste auf, dass uns die bunt gekleideten Frauen auf dem Weg zum
Markt leid tun. Es wundert uns nicht mehr, dass viele
Einheimische mit Atemschutz unterwegs sind. Die Teerstrasse nach
Süden führt über Pita, wo schon der nächste Wasserfall auf uns
wartet. Die Militärbegleitung schütteln wir unter Hinweis auf
fehlende Sitzplätze in unserem Fahrzeug ab. So einsam wie der
vorherige Platz ist dieser nicht, trotzdem sind die
Einheimischen nicht aufdringlich, sondern schauen nur zu, wie
wir den stürzenden Wassermassen zuschauen.
Da wir keinen Wert auf Konflikte mit Flüchtlingen aus dem
benachbarten Sierra Leone legen, biegen wir in Mamou
nach Osten ab und fahren durch die Ausläufer des Fouta Djalon
nach Kankan.
Im Nigerbecken herrscht dichte Buschsavanne vor, auf
grandiose Ausblicke müssen wir erst mal verzichten, dafür haben
wir eine ziemlich neue und lochfreie Teerstraße unter den Rädern
und kommen flott voran. Der Niger wird auf einer Brücke
überquert und wir drehen nach Norden, fahren auf Bamako in Mali
zu. An den Monts Mandingues finden sich schöne
Übernachtungsplätze, leider mit extrem lästigen Fliegen übersät.
Fünfzig Kilometer vor Bamako ist der EU-finanzierte Teer
zu Ende und wir rumpeln auf einer groben Baustellenpiste in den
Moloch Bamako. Es dauert einige Zeit, bis wir uns im
Verkehrschaos zurechtfinden und im Hotel Les Colibris absteigen
können. Endlich wieder eine Dusche und ein großes Bett! Bei
mittlerweile 45 Grad kommt uns die Klimaanlage auch nicht
ungelegen. Die Infrastruktur ist in Bamako sehr gut – wenn man
Geld hat. In den libanesischen Supermärkten gibt so gut wie
alles, in den Patisserien gibt es wunderbare Croissants, die den
französischen in nichts nachstehen – und wir probieren auch ein
Fast-Food-Restaurant, mit gelbem M auf rotem Grund. Ein Plagiat,
wie sich schnell herausstellt, allein die Cola dauert eine halbe
Stunde, und das Menü (Burger und Pommes Frites) dauert noch
länger, weil die Pommes Frites ausgegangen waren. Zum Trost
reservieren wir einen Tisch im San Toro, einem der
traditionellen Lehmbauarchitektur nachempfundenen Restaurant,
mit wunderschönem Ambiente und Live-Kora-Spieler.
Aber nachts im Dunkeln durch Bamako fahren? Lieber nicht, also
nehmen wir ein Taxi für umgerechnet 3 Euro. Der rasta-lockige
Fahrer starrt stur auf die Straße und reagiert auf keinerlei
Einwände. Ohne Auspuff rast er mit großer Geschwindigkeit über
sämtliche Rallentisseurs hinweg, die Abgase ziehen durchs
Fahrzeuginnere, ein Schließen der Fenster hätte unmittelbar eine
CO2-Vergiftung der Insassen zur Folge. Durch belebte, aber
dunkle und unbeleuchtete Viertel rasen wir durch die Nacht, die
schwarzen Einheimischen sind fast nicht auszumachen, immer
wieder springt einer in letzter Sekunde zur Seite. Wir vermuten
bereits, dass wir jeden Moment ausgesetzt und ausgeraubt werden,
als das Taxi wieder Teer unter die Räder bekommt und auf hell
erleuchteter Straße auf den Niger zufährt.
Was wir sehen, gefällt uns auch nicht. Auf der Brücke ist
keine Fahrspur für uns, nur Gegenverkehr auf der gesamten
Breite. Der Fahrer starrt noch immer wie hypnotisiert nach
vorne, beschleunigt den alten Datsun, steigt auf die Hupe und
... fährt direkt auf den Gegenverkehr zu!! Wir wollten nur
essen, nicht sterben! In gefährlichen Manövern weicht der
Gegenverkehr in kaum vorhandene Lücken aus, während wir in
Schräglage mit den rechten Rädern auf dem Gehsteig und
dröhnender Hupe über die Nigerbrücke jagen – wir kommen 15
Minuten zu früh am Restaurant an.
Nach dem Adrenalin-Schock erholen wir uns bei einem köstlichen
Dinner und verlassen den Hexenkessel Bamako am nächsten Morgen
Richtung Kati, wo von der Teerstraße eine breite Piste
über Kita nach Manantali und Bafoulabe führt. Wir kommen gut
voran und bereiten uns schon auf ein gemütliches Ende unserer
Tour vor, doch zu früh gefreut! Nach Überquerung des Bafing auf
einer scheppernden Eisenbahnbrücke (wann kommt der Zug??) geht
aus Bafoulabe keine Piste weiter nach Kayes, nur Trampelpfade zu
einer eingestürzten Brücke. Auch mehrere Anläufe und eine
Befragung verschiedener Einheimischer bringt keine Piste zu
Tage! 450 km zurück und nochmals 700 km außen herum? Niemals,
lieber 150 km Trampelpfad! Auf eine eingefallene Brücke folgt
eine unbefahrbare, darauf wieder eine vor langer Zeit gewesene,
dazwischen Felstreppe bergauf, Steinbruch bergab – dabei sollte
diese Piste „problemfrei“ sein. Zumindest laut unserem
Reiseführer (neueste Auflage).
So wird das letzte Stück bis zur Teerstraße zu unserer privaten
Trialsektion. Der Rammschutz kratzt über die Felsen vor uns,
während die Anhängekupplung hinten an den Felsen schabt,
Abrisskanten können nur diagonal unter seitlichem Abkippen des
Fahrzeugs überwunden werden, oftmals müssen wir Steine legen, um
weiterzukommen. Die Strecke lässt uns keine Atempause, auf jede
Schikane folgt nach kaum 100 Metern eine neue, nicht minder
schwierige.
Am Chute de Gouina, wo der Senegal über eine Felskante
stürzt, bleiben wir einen Tag und versuchen, die Strapazen zu
verdauen. Bei 43 Grad im Baumschatten vertrödeln wir den Tag,
bis abends ein heißer Sturm aus der Sahara aufkommt. Starker,
böiger Wind mit 34 Grad hält uns die ganze Nacht wach.
Wie gerädert nehmen wir den restlichen Weg unter die
bedauernswerten Räder. Wir stoßen auf eine aufgelassene
Zementfabrik aus dem Jahr 1969, vor sich hin rostende
Baumaschinen und einen alten, verlassenen Bahnhof. Man fühlt
sich unweigerlich in ein Goldgräbernest aus einem Western
versetzt, zumal de Kulisse mit einsamen Zeugenbergen den
Eindruck noch verstärkt.
Doch jetzt kann uns nichts mehr aufhalten – Kayes wartet
schon und dort ein richtiger, schattiger Biergarten! Aus
angenehm großen Flaschen rinnt das eiskalte Bier durch unsere
staubigen Kehlen, welch Hochgenuß bei immer noch über 40 Grad
rad.
Unser Mitsubishi L300 4x4 hat sich wacker geschlagen, trotzdem
verkaufen wir ihn in Gambia, wo er zukünftig als voll
ausgerüsteter Miet-Off-Roader anderen Touristen gute und treue
Dienste leisten soll.
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