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Jeep Jeepster
Wie ein Vanillepudding
Ein Fahrt abseits des Offroad-Alltags in einem Cabrio, das man Jeep so niemals zugetraut hätte.
04.06.2016


"Sie fährt sich leicht und weich wie ein Vanillepudding", sagt Christophe Deschamps, der Besitzer. "Sie", sagt er, nicht "es" oder gar "er". Und wirklich war ein Jeep niemals so weiblich. "See, it's easy" - mit sanftem Druck aus Daumen und Zeigefinger schaltet er in den zweiten Gang. Der Hebel der Lenkradschaltung ist so elfenbeinfarben wie das Lenkrad und das Leder der Sitze. Wir rollen aus dem Camp Jeep in die grandiose Landschaft am Fuße der katalonischen Pyrenäen.

Zum Euro Camp 2016 hat der Franzose drei wunderbar restaurierte alte Jeeps mitgebracht. Der - pardon - die schönste: Ein "Jeepster" aus dem Jahr 1948. Nach dem Weltkrieg wollte Willys Overland, die Vorgängerfirma, nach hunderttausenden produzierten Militär-Fahrzeugen endlich auch im zivilen Bereich Fuß fassen. Schnell wurde ein heckgetriebenes Cabrio produziert und unter dem Namen Jeepster angeboten. Ein kurzer Hype. Die Produktion endete schon 1950. Die Zeit war offensichtlich noch nicht bereit für einen derart weiblichen Jeep.

Lange Motorhaube im längst klassischen Stil der Vierziger, vier bequeme Sitze im Innenraum, ein kurzes Heck mit außen montiertem Reserverad. Eine holzfarbene Scheibeneinfassung. Weißwandreifen, verchromte Felgenkappen. Das perfekte Auto für einen sanften Trip in Zentralspanien. Auf den Schotterstraßen rund um das Camp gehen wir es sehr gemütlich und vorsichtig an. Die Steine der Pyrenäen könnten der Wunderbaren doch einigen Schaden zufügen.

Der Vanillepudding wird von einem kleinen Vierzylinder-Benzinmotor mit 2,2 Litern Hubraum angetrieben. Auch absolut ungewöhnlich für die sonst so hubraumfixierten Amis. Doch die 63 PS treiben das fast siebzig Jahre alte Auto ziemlich flott voran.

Ein kundiges Händchen erfordert das Getriebe, auch wenn Christophe es mit nur zwei Fingern instruiert. Drei Gänge, über die erwähnte Lenkradschaltung zu sortieren. Der erste Gang ist irgendwo rechts oben, der zweite unten nah am rechten Knie, der dritte wiederum oben gen Frontscheibe. Spannend wird's beim Overdrive. Der "vierte" Gang wird über das Gaspedal stimuliert. Dritter Gang, beschleunigen, dann recht abrupt weg vom Gas. Dann schaltet das Getriebe in den Overdrive. Umgekehrt gehts ähnlich. Cruisen im Overdrive, dann weg vom Gas und das Pedal wiederum kurz durchgetreten. Gang drei. Der Erstbenutzer scheitert an dieser Getriebelogik kläglich.

Nur etwas mehr als 19.000 Jeepster wurden gebaut, ein paar Hundert sind vielleicht noch erhalten.

Der Vanillepudding rollt sanft zum Camp Jeep zurück. Das Motörchen schnurrt, dann stellen wir ihn ab. Der Abschied von der süßen alten Lady fällt schwer. In den Vierzigern gab es noch Liebe auf den ersten Blick.

Fotos: GELAENDEWAGEN.AT / Alexander Seger
Text: Michael Kubicek


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