GELAENDEWAGEN.AT Blog
Ich. Auto-Didakt.
Me and my Versuche, ein Schrauber zu werden.
Wenn ein Dilettant einen Land Rover renoviert, hat er es nicht leicht. Ausgezahlt haben sich all die Mühen dennoch - trotz des heftigen Gegenwindes. Irgendwie.
02.08.2016
"Geh Oida, bitte..." Ein Spruch, den ich lange Zeit mehrfach gehört habe. Ein Mitglied eines einschlägigen, sogar etwas elitären bundesdeutschen Land Rover Forums formulierte es eleganter, aber nicht weniger süffisant: "Mensch, willst Du wirklich an Deinem Landy schrauben, wenn Du eigentlich keine Ahnung hast?".

Ja, will ich. Ich. Auto-Didakt. Gelernter IT-er, ebenso gelernter, sogar g'studierter Journalist. Nur leider kein Mechaniker-Meister. Nicht einmal Geselle. Sogar jeder Lehrbub hat mehr Ahnung als ich. Trotzdem, ich bin enthusiastisch, aber leider dilettantisch. Aber ich lerne. Weil's mir Spaß macht. Und lese Reparaturanleitungen. Löse dank der Anleitung punktuell ein Problem. Nächstes Problem? Wissensmäßiges Niemandsland für mich. Lese wieder die Reparaturanleitung. Verstehe Bahnhof. Lese sie nochmals, interpretiere sie. Mache Blödsinn. Frage dann einen Fachkundigen. Die Antwort, meistens? "Geh Oida, bitte..."

Hätte mich vor zehn Jahren jemand nach der Funktion eines Verteilers gefragt, hätte ich ihm die Vorzüge eines Microsoft-Outlook-Verteilers mit der Möglichkeit, ein Mail an viele vordefinierte Personen gleichzeitig senden zu können, in epischer Breite erläutern können. Heute weiß ich, HURRA: Mit einem Verteiler wird ein Motor dazu bewegt, in richtiger Reihenfolge den Sprit in seinen meist vier, manchmal sechs oder sogar acht Brennkammern zu zünden. Inzwischen kann ich sogar einen Vergaser einstellen. Einigermaßen, zumindest.

Soweit, so gut. Aber. Da läuft zum Beispiel ein "Draht" zwischen Verteiler und Vergaser. Was macht dieses Ding? Ich blättere und blättere in der Anleitung. Es findet sich genau gar nix dazu. In der Skizze ist das Ding dargestellt, allerdings nur als Stummel hinter dem Verteiler. Dahinter: Nix. Die Grafik endet im Nirvana. Der Autor hat dazu auch kein Wort verloren. Blöder Arsch, denke ich mir... was mache ich jetzt? Ganz einfach, vermeintlich: Ein Spezialisten-Forum befragen. Die Spezis dort schwadronieren auf meine Frage nur blöd herum, in der Zwischenzeit google ich. Ha ... irgendein Unterdruck-Dings. Ist eigentlich kein Draht, sondern ein Schlauch. Was das Ding macht, ergoogle ich leider nicht. Ich poste das Wort "Unterdruck" und erhalte postwendend die Antwort: "Mensch, kannst einen Draht nicht von einem Unterdruckschlauch unterscheiden?". Kann ich nicht. Nicht, wenn man das Ding vorher mit einer Zange abgezwickt hat und dabei die Enden zusammengequetscht hat. So ist ein Draht ernsthaft nicht von einem Schlauch zu unterscheiden. Ich drösle die beiden Enden des Schlauchs auf und verbinde sie luftdicht. Der Motor springt an und schnurrt vor Freude ob seiner Wiedergeburt. Jippie.

Über die Vor- und Nachteile "sozialer" Spezialisten-Foren angesichts der Verachtung Wenigwissender möchte ich hier eigentlich kein Wort verlieren. Aber. Schon einmal habe ich ein Ägyptologie-Forum mit wien-favoritnerischer Verve aufgerieben, weil ich auf die Frage nach einer glücklich (und natürlich legal) erworbenen antiken Grabbeigabe nur ein verächtliches "Mensch...", vulgo "Geh Oida, bitte..." geerntet habe. Ich bin wegen meiner Antworten in diesem Forum seither "auf Lebenszeit" gesperrt. Seltsame Schnösel, halt...

Egal. Ich freue mich. Habe es trotz meines für Viele peinlichen Dilettantismus geschafft, meinen seit zwei Jahren im Tiefschlaf befindlichen Land Rover aus 1966 für ein wunderbares Foto-Shooting zu reaktivieren. Um halbelf in der Nacht unmittelbar vor dem Shooting-Tag sprang die Kiste plötzlich an. Und lief. Zwar nur mit 35 Sachen, aber sie lief.

Die dilettantisch-enthusiastische Renovierung meines Landys hat mir - eigentlich dem Auto - inzwischen dennoch eine Einladung zur "Queen's Birthday Party" in der britischen Botschaft in Wien verschafft. Dort stand es neben einer Jaguar E-Klasse direkt beim Empfang als "Symbol britischer Ingenieurs-Kunst". "Ein wunderschönes Cabrio stand beim Eingang", hat ein Journalistenkollege darüber geschrieben. "Und der Jaguar war auch ganz nett". Die "Land Rover Classic", das weltgrößte Magazin für alte Land Rover, widmete meiner Kiste eine Doppelseite. Beim von Land Rover Österreich iniitierten "Einsatzkräfte Teamwettbewerb" stand sie zentral am Siegerfoto, inmitten der brandneuen Land- und Range Rover Modelle. Land Rover Österreichs General Manager ist mit meiner Dilettanten-Kiste ganz beseelt ein paar Runden gefahren.

Fragt mich heute jemand, wie das alles möglich wurde, sage ich nur "Geh Oida, bitte...".

Fotos: GELAENDEWAGEN.AT / Christian HOUDEK
Text: Michael KUBICEK


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