Testberichte

Little Britain

Unterwegs im Range Rover Evoque Cabrio

Erste Ausfahrt im Evoque Cabrio - in durchaus stilgerechter Umgebung.
19.06.2016
Sie bietet ein wenig britische Atmosphäre, die böhmisch-mährische Höhe. Die langwellige Hochfläche erhebt sich im Süden Tschechiens sanft zwischen 500 und 800 Meter über das Meer. Dunkle Nadelwälder durchbrechen die ausgedehnten Wiesen- und Weidenflächen, auf denen die Hochlandrinder und Schafe ein ziemlich glückliches Leben zu haben scheinen.

Eine nahezu perfekte Kulisse, ein britisches Auto testen zu dürfen. An diesem Juni-Montag erhellten wir das Grün der Höhe mit unseren strahlend orangefarbenen Cabrios. Das Wetter ließ es zu, offen zu fahren. Unser Dach war an diesem Tag der sanftblaue Himmel Tschechiens.

Dabei hatte es am Beginn unserer Fahrt, südlich von Prag, doch kurz authentisch-britisches Wetter-Feeling gegeben. Die einzige große schwarze Wolke entlud ihren flüssigen Inhalt auf die Autobahn. Das Dach war offen, bei 120 km/h drang dennoch und erstaunlicherweise kein Tröpfchen ins Fahrzeuginnere. Mit dem Range Rover Evoque Cabrio lässt es sich also - dank der mächtigen Frontscheibe - quasi unter dem Regen durchfahren. Leider erst ab einem gewissen Speed über Grund. Und wenn es nicht gerade kübelt.

Am Ende der Autobahn gab es der Wettergott auf, uns und unseren Cabrio-Innenraum nass machen zu wollen: Stichwort sanftblauer Himmel.

Nur weil es uns interessierte, ließen wir die vier eigens eingebauten Elektromotoren dann doch ihres Amtes - des Verdeckschließens- und -öffnens - walten. Sie taten ihr Bestes. In ganzen 21 Sekunden war das Dach zu, in 18 wieder offen. Dass dies auch im Gelände funktioniert, bewies uns eine hübsche Verschränkungspassage, die uns der mährische Rücken dankenswerterweise auf den Feldweg legte. Die hochfeste Karosserie verwindet sich kaum, das Verdeck kann auch in "Extrem"situationen problemlos geöffnet und geschlossen werden. Das hatten wir von einem Offroad-Cabrio aber auch so erwartet.

Wer von den Käufern würde das alles aber je ausprobieren, fragten wir uns. Viel wichtiger ist es, dass sich das Verdeck wie nachgewiesen schnell öffnen und schließen lässt. Dass dies auch bis zu einer Geschwindigkeit von 30 Meilen pro Stunde - das sind 48 km/h - funktioniert.

Die Kundschaft wird es wohl nur in seltenen Fällen tun, wir ließen es uns natürlich trotzdem nicht nehmen.

Nämlich mit dem Cabrio ins Gelände zu fahren. Das per se schon grandiose "Terrain Response System" wurde um noch grandiosere Fähigkeiten ergänzt und nennt sich jetzt "All Terrain Progress Control" - kurz "ATPC". Die Taste für die Bergabfahrhilfe "Hill Descent Control" gedrückt, dann mittels "+"- und "-" Tasten des Tempomaten eine adäquate Geschwindigkeit zwischen 1,8 (sic!) und 30 (noch einmal: sic!) km/h vorgewählt. Füße weg von den Pedalen und der Wagen fährt mit der vorgewählten Geschwindigkeit ganz autonom über Stock und Stein. Nur lenken muss der Fahrer noch selbst - und kann sich genau darauf konzentrieren.

Wir krabbelten mit der Mindestgeschwindigkeit von 1,8 km/h eine Steilabfahrt mit nassem, rutschigem Grasbewuchs hinunter. Die Minimalgeschwindigkeit erlaubt für diese Fahrzeugklasse erstaunliche Auf- und Abseilaktionen im recht derben Gelände. Erstaunlich: Manchmal bringt das System den Wagen sogar kurz zum Stillstand, scheint kurz über die korrekte Drehmomentverteilung nachzudenken. Um dann das strahlend orangefarbene Cabrio wieder sanft und sicher vorwärts zu bewegen. Ganz in der Tradition der britischen Zurückhaltung arbeitet es dabei extrem diskret, sprich geräusch-, vibrations- und ruckelfrei. Etwas Besseres gibt es in diesem Segment nicht.

Für ein Foto-Shooting durchpflügten wir dann noch einen Fluss und durchkreuzten wie auf einer eleganten Motoryacht einen flachen See. Die Hochlandrinder auf der Wiese nebenan nahmen's gelassen. Wer will, kann auch. Mit dem Evoque im Gelände fahren.

Wer wird das Cabrio kaufen, fragten wir uns. Land Rover selbst räumt ein, dass viele Märkte dieser Welt mit dem Evoque Cabrio wohl kaum zu erreichen sein werden. Weil es dort zu gefährlich ist, sich mit einem Cabrio im öffentlichen Raum zu bewegen. Weil es dort ganz einfach zu heiß zum Cabriofahren ist. Oder weil diese Fahrzeuge - wie in China - ganz einfach (noch?) kein Statussymbole sind. Die potenzielle Kundschaft wird also primär in klimatisch gemäßigten und politisch-sozial sicheren Gegenden zu suchen und finden sein.

Für Jaguar Land Rover selbst ist das Evoque Cabrio aber durchaus ein Statussymbol. Mit der Markteinführung des ersten modernen SUV-Cabrio zeigt die Marke erneut unglaubliches Selbstbewusstsein und unterstreicht ihre Vorreiterschaft im SUV- und Geländewagenbereich.

Mit dem Cabrio erfährt die aufregende Karriere des optisch spektakulären Evoque einen neuerlichen Höhepunkt. Nicht unbedeutende 56.000 Euro Mindestanschaffungspreis stehen dem wohl wichtigsten Verkaufsargument gegenüber: Das Cabrio ist in allen Belangen ganz einfach - pardon, weil im britischen Kontext wohl inadäquat - geil.

Fotos: Alexander Seger für JLR, GELAENDEWAGEN.AT, Hersteller
Text: GELAENDEWAGEN.AT


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