Der
Mercedes G ist ein imposantes Fahrzeug: Mehr als 2 Meter
Dienstgipfelhöhe, eckig, kantig, wuchtig. Kurze Überhänge,
richtig Bodenfreiheit. Der 6-Zylinder brabbelt sonor
unter der Motorhaube hervor. King G lässt schon beim ersten
Sicht- und Hörkontakt den Gelände-Macho raushängen. Unter der
rauen Schale verbirgt sich aber ein weicher Kern: Der Innenraum
ist vollgepflastert mit Luxusfeatures vom Teuersten. Ein
Widerspruch, den es aufzuklären gilt.
Zuallererst aber: Wir, die "Community" der Geländewagenfahrer,
sollten uns glücklich schätzen, dass es Fahrzeuge wie den G noch
gibt: Echte, ehrliche Offroader, die man inzwischen locker an
den Fingern einer Hand abzählen kann: G, Defender, Wrangler. Und
dann? Nach der ersten Freude über die Noch-Immer-Existenz
solcher Urgesteine muss man sich auch die Frage stellen,
wie weit es die Hersteller mit dem Luxus, dem Komfort in solchen
Fahrzeugen treiben sollten. Muss ein Auto vom Schlage des G
technisch derart hochgerüstet werden? Wenn ja - warum?
Als der G im Jahre 1979 - damals noch unter dem Namen
Puch - auszog, um die Welt abseits befestigter Straßen zu
erobern, war er noch ein richtig hartes, erdiges Auto. Seit auf
ihm der Stern strahlt, hat er sich sukzessive auch zum
Luxusgefährt entwickelt. Mit dem G 320 CDI haben wir
die aktuellste Evolutionsstufe des Jahres 2007 getestet.
Mehr als erfreulich ist, dass der G durch all die Jahre ein
unglaublich geländegängiges Fahrzeug geblieben ist: Das
gewaltige Allradkonzept mit 4ETS, der kurzen
Untersetzung und serienmäßig 3 Differenzialsperren
sorgt dafür, dass er fast von allein überall dort fährt, wo der
Bauer schon mit seinem Traktor kämpft.
Weniger erfreulich: Das Vergnügen, einen G sein Eigen zu nennen,
bezahlt man teuer. Richtig teuer: Mindestens 83.000
Euro muss man dafür auf den Tisch legen können. Entscheidet
man sich auch noch für ein paar Extras - eine Standheizung zum
Beispiel, oder ein Navigationssystem - kann der Kaufpreis
schnell einmal sechsstellig werden. Das schmerzt die
Allradenthusiasten - die meisten werden sich ein solches Auto
nie leisten können. Das ist schade. Eine Basisversion,
die auf allen Luxus verzichtet und zu einem erschwinglichen
Preis erhältlich ist, wurde schon von vielen Seiten gefordert -
und könnte sich auch wirklich vernünftig verkaufen.
Der Mercedes G und Luxus: Das ist ein interessanter
Stilmix. All die Technik, die Elektronik, die dem Fahrer das
Leben im G möglichst einfach und angenehm machen sollen, wirkt
ein wenig "aufgepfropft": Der unverändert eckige, kantige und recht
enge Innenraum kann all die Schalter und Hebel für die
Sitzverstellung, Fensterheber, den riesigen Bildschirm für Navi
und Rückfahrkamera etc. nur mit Mühe aufnehmen. In anderen
Fahrzeugen sind diese Komponenten sauber in ein Gesamtkonzept
integriert - im G fällt schnell auf, dass sie zur seit 28 Jahren
praktisch unveränderten Karosserie dazu installiert
wurden. Neben der ungewöhnlichen Optik ergeben sich daraus auch
ergonomische Probleme: So schön der Navimonitor auch ist
- er ist zu tief installiert und kann während der Fahrt kaum
abgelesen werden.
Richtig bequem sitzen im G übrigens nur Fahrer und Beifahrer -
elektrisch verstellbar ist an den Sitzen alles - sogar die Höhe
der Kopfstützen. Die Hinterbänkler kämpfen hingegen ein wenig
mit dem knapp bemessenen Raum und den überraschend kurven
Sitzflächen.
Der Stilmix setzt sich dort fort, wo Mercedes den G laufend um
neue Luxus-Features erweitert: Das neu erhältliche Leder
in dunkelbraun namens "Cognac" ist wunderschön - nur
passt es nicht zu den teils schwarzen Türverkleidungen, dem
grau-beigen Himmel, dem marmorgrünen Applikationen rund um die
Schaltkulisse, der bläulichen Laderaummatte und den
Alu-Einstiegsleisten. Weniger wäre hier vielleicht mehr.
Aber ... fahren wir ihn, den König der Geländewagen: Motor und
Getriebe sind vom Feinsten. Der 3 Liter große Common Rail
mit 6 Brennräumen, übrigens der einzige Diesel für den G, bietet
in allen Fahrsituationen onroad ausreichend Power.
Leistungsentfaltung und Drehmomentverlauf sind perfekt, die
7-Gang-Automatik ist toll abgestimmt. Das Fahrwerk
verhält sich erstaunlich manierlich und beweist sich als
sattelfest und autobahntauglich. Mit ein wenig Vorsicht ist der
G auf kurvigen Landstraßen zu genießen: Hier flott zu fahren,
erfordert ein kundiges Händchen. Der hohe Aufbau sorgt für
kräftige Seitenneigungen in Kurven, der G wirft sein ganzes
Gewicht überraschend abrupt auf das kurvenäußere Vorderrad.
Zeitiges Quietschen und generell kräftiges Untersteuern sind die
Folge. Bei der Kraft dieses Motors darf niemand mehr maulen,
dass heutzutage derart viele diverse elektronische
Fahrassistenzsysteme für Sicherheit sorgen möchten. Denn -
ohne diese Systeme könnte der moderne G-Fahrer onroad rasch an
seine Grenzen stoßen.
Wer außer einem Großgrundbesitzer oder finanziell potentem
Jagdpächter bewegt ein 100.000 Euro teures Fahrzeug freiwillig
im Gelände? Die Antwort ist nahe liegend: Wir natürlich.
Hier haben wir auch erfahren, was die Legende G ausmacht.
Unglaublich, welche Aufstiege sich mit dem G praktisch im
Standgas machen lassen. Welche Reserven man dem Wagen entlockt,
wenn man die 3 Differenzialsperren zur Mitarbeit
animiert. Wie gut noch immer die Achsverschränkung ist,
die den Sperreneinsatz erst in Situationen nötig macht, in die
man mit anderen Allradlern gar nie kommt. Die
Übersichtlichkeit des Wagens durch die eckige Bauform macht
die Geländefahrt noch einfacher. Schwächen? Kaum welche. Der
überraschend große Wendekreis vielleicht, der nur mit
vorausschauender Fahrweise - meistens - kompensiert werden kann.
Und natürlich die straßenorientierten Reifen. Doch die
Entscheidung, grobstolligere Gummis auf den G 320 CDI
aufzuziehen, sollte gut überlegt werden - siehe Thema
Kurvenverhalten onroad.
Schließlich bewegt auch ein G-Fahrer - seien wir ehrlich -
seinen Wagen primär onroad. Und kann damit komfortabel, bequem
und vom Luxus umweht unterwegs sein. Offroad zeigt er sowieso
allen, wo's lang geht. Und schleppt im "worst case" auch noch
den Traktor den Steilhang hinauf.
Der G ist also ein Fahrzeug, das den Hard-Usern unter den
betuchten Allradfahrern gerade recht kommt. Jägern, Förstern,
Großgrundbesitzern, die einen Allesüberwinder für die
Extremsituationen im Forst oder im Revier benötigen. Und dabei
nicht auf den Komfort einer
zweizonigen Klimaanlage verzichten wollen. Oder einer
Rückfahrkamera, damit man beim Verkehrt-Hineinschieben in
die Garage des Landhauses das Tor nicht beleidigt. Die weniger
Betuchten, all die Jagdhelfer und Revieraufseher - die bleiben
beim alten Pajero. Oder sogar beim uralten, verbeulten Hilux.
Aber glauben Sie uns: Am Abend, beim Stammtisch, erzählen Sie
sich die Wunderdinge, die der G des Jagdpächters untertags wieder
vollbracht hat.
Den Widerspruch zwischen Mega-Offroader und Luxusgefährt haben
wir damit zugegebenermaßen noch immer nicht aufgeklärt.
Vielleicht ist es ja gar keiner? Aber all die erfahrenen
G-Fahrer können Ihnen da sicher weiterhelfen: Geländegängig muss
er ganz einfach sein, der schon zu "Lebzeiten" legendäre G. Die
tolle Ausstattung nimmt man wohlwollend zur Kenntnis, der
Kaufpreis spielt für sie eine eher untergeordnete Rolle.
Schließlich besteht der Reichtum "nicht im Besitz von Schätzen,
sondern in der Anwendung, die man von ihnen zu machen versteht"
- hat schon ein berühmter, auch nicht ganz armer Mann gewusst.
Lange, bevor der G erfunden wurde.
Geländeleistungen: Permanenter Allradantrieb,
elektronisches Traktionssystem 4ETS, 3 Differenzialsperren
(Mitteldifferenzial, Hinterachse, Vorderachse), Bodenfreiheit
205 mm, Untersetzungsgetriebe 2,16:1
Anhängelasten: 3.500 kg/ 750 kg (gebremst/ungebremst)
Serienausstattung (Auszug):
INNEN: Fahrer- und Beifahrerairbags, Window-Bags (nur bei
Station), Einstiegsleisten aus Edelstahl, Klimaautomatik,
Leder-Multifunktionslenkrad, Lenksäule eleektrisch verstellbar,
Leseleuchten im Fond, 3 3-Punkt.Gurte im Fond, ISOFIX, Tempomat,
Stoffsitze elektrisch verstellbar, mehrere 12V-Steckdoesen,
Zentralverriegelung, Holtzierteile
AUSSEN: Offroadfeatures wie oben, Partikelfilter, ABS,
Bremsassistent, ESP, Außenspiegel mit integrierten Blinkern,
Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Abbiegelicht in den
Nebelscheinwerfern, beheizbare Scheiben vone und hinten,
Preis: Station Wagon lang Basis € 83.995,20
Preis des Testwagens: € 101.242,08
(zusätzlich u.a. mit Lederausstattung "Cognac",
Metalliclackierung, Stoßfängern in Wagenfarbe, DVD-Navigation,
Rückfahrkamera, Anhängerkupplung und Standheizung)