Allradland Österreich
Österreich ist das Land der SUV- und Geländewagenfahrer ... das beweisen die aktuellen Zulassungsstatistiken eindrucksvoll. Die heimische Industrie profitiert aber auch von der weltweit steigenden Beliebtheit allradgetriebener Fahrzeuge und liefert dafür Technologie vom Feinsten...
27.08.2007
Österreich ist ein Allradland: Fast 9,5 Prozent aller im vergangenen Jahr zugelassenen Kraftfahrzeuge waren SUVs oder Geländewagen. Ein einmaliger Rekord, der aber schon 2007 sicher erneut übertroffen wird.

Österreich und Allrad - das ist eine Geschichte mit Geschichte: Begründet zu einem guten Teil von der fast schon legendären Steyr Daimler Puch AG, deren Tradition und Erfahrung im Bau von 4x4-Fahrzeugen nahtlos von der "Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik" in Graz und in weiterer Folge von Magna Steyr übernommen wurde. Und Ikonen der Geländewagenwelt produziert hat. Aber auch von der MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG: Der Mutterkonzern in München ist Vorreiter im Einsatz von Allradsystemen in LKWs, die Werke in Wien und Steyr nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. In den letzten Jahren haben aber auch kleine heimische Unternehmen international für Furore gesorgt: Das tirolerische Unternehmen Achleitner baut unter dem Namen "Mantra" Mercedes Benz Sprinter und Volkswagen Crafter zu Geländemobilen um. Die im oberösterreichschen Nebelberg angesiedelte Firma Oberaigner entwickelt und fertigt Allradsysteme, die in den DaimlerChrysler Werken in Mercedes Sprinter, Viano und Vito eingebaut werden.

Grazer Allradtradition: Vom Haflinger bis zum Commander
Die Klassiker, die von Steyr Daimler Puch gebaut wurden, braucht man fast nicht eigens zu erwähnen, jeder kennt sie: Den Haflinger, von 1959 bis 1974 gebaut. Den Pinzgauer, ab 1971 in Produktion und bis 2000 in Österreich produziert. Oder das Fahrzeug, das schon längst zum Kultfahrzeug geworden ist, obwohl es noch immer produziert wird: Der Mercedes G. Mit Stand 2006 sind in Graz 190.000 Stück davon vom Band gelaufen. In Graz wurden darüber hinaus auch der VW Transporter Syncro (von 1984 bis 1992), der leider nicht übermäßig erfolgreiche Golf Country (1990 und 1991) sowie zwischen 1999 und 2002 die Mercedes M-Klasse gefertigt.

Aktuell baut Magna Steyr in Graz neben dem BMW X3 und dem Chrysler 300C die Jeep-Modelle Grand Cherokee und Commander. Vom "Granny" die bereits dritte Baureihe seit 1994, das Flaggschiff Commander seit vergangenem Jahr.

MAN Nutzfahrzeuge: Keine Traktionsprobleme
Die MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG mit Werken in Wien und Steyr gehört zur MAN Nutzfahrzeuge Gruppe. Allein am Standort Wien-Liesing beschäftigt das Unternehmen rund 750 Menschen. Hier werden Spezialfahrzeuge entwickelt und gebaut, etwa Schwerlastzugmaschinen bis 250 Tonnen Gesamtgewicht und Fahrgestelle für Flughafen-Feuerwehrfahrzeuge. Ein Schwerpunkt ist derzeit die Abwicklung des Großauftrages von über 7.000 Allradfahrzeugen für das britische Verteidigungsministerium. 307 Stück Allrad-LKW der Type TGM 12.240 4x4 BL liefert MAN an das Österreichische Bundesheer, direkt aus dem Werk Steyr.

Technologisch bieten die MAN-LKW-Modelle eine Besonderheit: Neben einem konventionellen Allradantrieb gibt es für diverse LKW-Modelle den "HydroDrive": Eine Hydropumpe am Getriebeausgang speist dabei Radnabenmotoren an der Vorderachse. Eine Lösung, die je nach Bedarf per Drehschalter im Cockpit aktiviert werden kann und so auch die Vorderräder antreibt. Die Vorteile gegenüber einem normalen Allradantrieb sind mannigfaltig: So erzeugen Hydropumpe und Radmotoren keine Reibung - beim Allradantrieb dagegen drehen sich die Übertragungselemente immer mit und verursachen so einen höheren Spritverbrauch. Durch die Bauweise von HydroDrive ist es auch nicht notwendig, die Fahrzeuge höher zu bauen - Silhouette und Schwerpunkt des Fahrzeuges bleiben erhalten. Der hydrostatische Vorderachsantrieb lässt auch während der Fahrt zuschalten. Ab einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h schaltet er sich automatisch ab. Fällt die Geschwindigkeit unter 22 km/h, schaltet er sich
automatisch wieder zu.

Dass MAN eine Vormachtstellung im LKW-Bereich hat, beweisen nicht nur die diversen "Truck of the year"-Preise, die das Unternehmen eingeheimst hat. Auch im Motorsport beweist man immer wieder Dominanz: Sei es bei diversen Truck Race Events auf Asphalt oder speziell beim Einsatz bei Langstrecken- und Wüstenrallies: So hat die Rallye Dakar mit dem Holländer Hans Stacey einen Sieger in der LKW-Wertung, der einen MAN TGA Race-Truck pilotierte.Er gewann nicht weniger als 5 der 13 Etappen. Mit 22 gestarteten Fahrzeugen war MAN unter den LKW die Marke mit den meisten Teilnehmerfahrzeugen - und hatten die geringste Ausfallquote. Neben 2 Race Trucks beiden TGA Race-Trucks waren 20 weitere MAN Allrad-Lkw als Servicefahrzeuge in der Rennwertung gemeldet - von namhaften Teams wie Volkswagen, KTM und BMW x-raid.


Oberaigner: Kernkompetenz Allrad
Die Kernkompetenz des oberösterreichischen Unternehmens liegt in der Entwicklung, Erprobung und Fertigung von Allradsystemen. Seit mehreren Jahren werden die DaimlerChrysler Werke in Düsseldorf und Vitoria mit Antriebskomponenten beliefert und die Baureihen Sprinter 4x4 und Vito/Viano 4matic am Band aufgebaut. Auch der seit 2006 neu entwickelte Sprinter wird noch in diesem Jahr mit Oberaigner Allradtechnik in Serie gehen und für mehrere Jahre als Sprinter 4x4 die Transporter-Baureihen von DaimlerChrysler ergänzen. Mit einem Gesamtvolumen von ca. 8000 Fahrzeugen jährlich bildet der Allradsektor den wichtigsten Geschäftsbereich von Oberaigner.

Neben diesen Serienlösungen leistet Oberaigner auch Entwicklungsarbeit für Individuallösungen und Kleinstserien. So wird beispielsweise gemeinsam mit dem Partner Paul Nutzfahrzeuge ein Lenksystem für die Hinterachse des Mercedes-Benz Unimog U400 angeboten. Diese Lösung ermöglicht eine besonders hohe Wendigkeit und äußerst präzise Lenkmanöver in schwierigem Gelände. Selbst Seitwärtsfahrten sind möglich.


Achleitner: Mit dem Mantra zum Höhenflug
Unter dem Namen "Mantra" bietet der Wörgler Achleitner Allradlösungen für Transporter im Nutzfahrzeugmarkt an. Dabei konzentriert man sich auf den Volkswagen Crafter, den Iveco Daily und den Mercedes Sprinter, bei dem man auf jahrelange Erfahrung verweisen kann. Dabei hat man Klein- und Großserientauglichkeit unter Beweis gestellt, man kann aber dennoch auch individuell Kundenwünsche eingehen und letztlich ein maßgeschneidertes Paket realisieren: Vom "einfachen" Allradeinbau bis zum Extremfahrzeug für schwierigste Einsätze ist bei Achleitner alles möglich. Die Umbauvarianten "von der Stange" nennen sich "Standard", "Perfekt" und "Mantra 4x4" und lassen schon fast keine Wünsche offen - weitere "Individualisierungen" sind dennoch kein Problem.

Generell kommt ein permanenter Allradantrieb mit variabler Kraftverteilung, Geländeuntersetzung und Differenzialsperre im Verteilergetriebe zum Einsatz. Dazu gibt es eine elektronische Anti-Schlupf-Regelung an der Hinterachse. Die Vorderachse wird modifiziert, insgesamt wird das Fahrzeug um ca. 10 Zentimeter höher gelegt.

Neben diesem "Basisumbau", mit dem die Transporter schon eine ausgezeichnete Geländefähigkeit haben, bietet Achleitner unter anderem weitere Differenzialsperren, Geländebereifung und eine Vielzahl an Zubehör an. Auflastungen machen es möglich, dass der Mantra 4 x 4 in Gewichtsklassen von 3,5 bis 6,9 Tonnen Gesamtgewicht auftritt.

Mit den Allradumbauten zielt Achleitner neben zivilen auch auf professionelle Nutzer: Die Fahrzeuge sind prädestiniert für Einsätze bei Gemeinden, Rettungsdiensten, der Feuerwehr, Polizei, und Militär.
 
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MAN Hydrodrive

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Oberaigners Getriebe für den neuen Mercedes Sprinter

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Achleitner Mantra

Achleitners „Mantra“ im Einsatz in Island


Fotos: Hersteller
Text: Michael Kubicek
Der Artikel ist auch in der "4WD", dem "Internationalen Allradmagazin" (Ausgabe 3/07) erschienen.





 
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