Der neue Nissan Navara -
erster Geländetest in Österreich
Rechtzeitig zum Verkaufsstart des neuen Nissan Navara können wir
bereits einen ersten Offroad-Test des Wagens präsentieren. Ein
Bericht von Andreas Piskorz, proVENTURE.
06.07.2005
Der „Navara“ von NISSAN soll einen Generationswechsel im Segment
der 4x4 Pickup`s einleiten. Auf jeden Fall hat der Nissan Pickup
- bis Ende 2004 gab es ja auch ein Ausstattungsmodell „Navara“ -
einen Konkurrenten im eigenen Haus erhalten. Der Navara basiert
auf dem Konzept des Pathfinder und ist mit dem früheren Pickup
in keinster Weise vergleichbar.
Andreas Piskorz konnte in seinem proVENTURE – Off Road
Trainingscenter in Leobersdorf ein Vorserienfahrzeug des "King
Cab" - Basismodells "XE", mit 6-Gang Schaltgetriebe und 100%
Differentialsperre an der Hinterachse, dem ersten Off Road Test
in Österreich unterziehen.
Der Off Road Fahrtest wurde zunächst „leer“ und anschließend
unter identischen Bedingungen mit einer Zuladung von bis zu ca.
500kg (halb gefüllter Wassertank) mit hohem und schwankendem
Schwerpunkt durchgeführt.
Besonders die „eingefleischten“ Pickupfahrer warten gespannt, ob
der Navara eine neue Generation von Pickups einläutet. Hier sein
Bericht:
Offroad Technik
Der Navara ist die Pickup Ausführung des Pathfinder; d.h.:
Motor, Antrieb, Innenraumgestaltung und Karosserie (bis zur
B-Säule) sind identisch. Der robuste Leiterrahmen ist ebenfalls
gleich, jedoch wurde die Hinterachse auf eine
Starrachskonstruktion mit Blattfedern getauscht und um 35 cm
nach hinten gerückt. Der so länger gewordene Radstand beträgt
jetzt 320 cm! Motor und Drehmoment sind derzeit einzigartig in
diesem Segment. Das DDTi – Aggregat liefert 174PS und 403Nm bei
2000U/min.
Stabiler Leiterrahmen, mit ausreichend stark dimensionierter
Einzelradaufhängung vorne und Starrachse mit Blattfedern hinten,
ausgelegt für eine Zuladung bis 750kg. Das Fahrwerk ist noch
straffer als beim Pathfinder. Die Verschränkung an der
Hinterachse ist auch ohne Beladung überraschend gut, vorne eher
nicht vorhanden. Ein elektronisch gesteuertes
Allradantriebssystem, wie beim Pathfinder und X-Trail, gibt es
beim Navara nicht. Hier beschränkt sich NISSAN auf die bewährte
„starre Zuschaltung“ des Allradantriebes mittels elektrischen
Stellmotors, wie vom Patrol bekannt. Die Geländeuntersetzung
wird ebenfalls elektromechanisch geschaltet.
- Leider gibt es bei keinem der Navara-Modelle ESP oder gar ESP
Plus!.
- Außerdem ist derzeit das Sperrdifferential nur beim XE-Modell
erhältlich.
- Böschungswinkel vorne 29°; hinten 22° (um 4° besser als beim
Pathfinder).
- Rampenwinkel 18° (um 6° schlechter als beim Pathfinder, auf
Grund des langen Radstandes)
- Bodenfreiheit 23cm
- Wattiefe 45cm
Der Offroad-Test
Der Navara ist ein exzellenter Kletterer, mit oder ohne Gewicht
am Rücken. Steigungen von bis zu 110% lassen sich auf Grund des
extrem kurz übersetzten 1. Ganges mühelos bewältigen. Leer ist
der Navara in der Geländeuntersetzung erst ab dem 2.Gang zu
fahren. Bei Zuladung wird dann die kurze Getriebeabstufung klar,
denn trotz 500kg Zuladung nimmt der Motor auch in schwierigsten
Geländeabschnitten bei Drehzahlen unter 1000 U/min noch willig
Gas an. Es ist weder ein Turboloch zu spüren, noch erkennt man
Trägheit unter der Haube. Langjährige Pickup-Fahrer werden
staunen, wenn auf der Autobahn erst bei Tempo 180 (am Tacho)
Schluss ist. (Der Fahrer des Sharan vor mir hat das auch nicht
glauben wollen)
Das vor allem vorne relativ hart abgestimmte Fahrwerk, bewirkt
speziell unbeladen einen „unangenehmen“ Fahrkomfort, nicht nur
im Off Road Betrieb. Wenn man dann auf schlechter, holpriger
Piste noch im 1. Gang – Untersetzung unterwegs ist, fährt man
nicht, sondern reitet! Bereits bei einer Zuladung von 300kg auf
der Ladefläche stellt man selbst im harten Off Road Einsatz
schnell ein für Pickup`s ungewohntes, „weiches“, aber „stabiles“
Fahrgefühl fest. Nur selten schlägt das hintere Fahrwerk bei zu
rascher Fahrweise durch. Kein „Bocken“, seidenweich werden auch
größere Bodenwellen und Gruben geschluckt. „Bei
Geländeabschnitten, wo ich im leeren Zustand die Achssperre zur
Hilfe nehmen musste und trotzdem zu kämpfen hatte, brauchte ich
im beladenen Zustand keine Sperren mehr und habe diese Passagen
problemlos überwunden", so Andreas Piskorz.
Das straffe Fahrwerk und die große Spurweite (1570mm) tragen zu
einem sehr stabilen und sicheren Fahrverhalten in
Extremsituationen bei. So pendelt das Fahrzeug bei tiefen
Löchern nicht nach, ein schwer beladenes Heck macht sich bei
Steilabfahrten nicht selbstständig und die Karosserie federt
auch bei Schräglagen von ca. 40° fast nicht ein.
Die gute Verschränkung des Navara bereits im unbeladenen
Zustand, vor allem an der Hinterachse, kennt man bei NISSAN
bisher nur vom Patrol. Die Böschungswinkel sind ausreichend,
beim Testfahrzeug mit der optionalen NISSAN „Rohrstosstange“
sogar besser als beim Pathfinder.
Nun zur „Bauchfreiheit“: Die Bauchfreiheit wird allgemein auch
als „Rampenwinkel“ bezeichnet. Darüber gibt es nicht viel zu
berichten, denn diese gibt es hier fast nicht! War dieser Punkt
bereits beim Pathfinder eine Schwäche, ist beim Navara auf Grund
des längeren Radstandes das Auto zwischen den Achsen für fast
jeden Geländeeinsatz zu niedrig. Somit gibt es fast keine Kuppe,
wo man nicht aufsitzt. Selbst im Baustellenbetrieb bei steileren
Ausfahrtsrampen kann es eng werden.
Die gute Nachricht: Der stabile Leiterrahmen ist so tief
gezogen, dass weder wichtige Anbauteile, noch die Schweller der
Karosserie auf Beschädigungen besonders gefährdet sind. Der
Unterbau ist glatt und eine einfache Aluplatte als
Unterfahrschutz könnte Abhilfe leisten. Das verhindert
allerdings nicht ein „Aufsitzen“ und „Stecken bleiben“.
Kurz gesagt, handelt es sich beim Navara um ein echtes
„Arbeitstier“, welches es liebt, steile, schräge und schwierige
Geländepassagen zu meistern, vorzugsweise beladen. Die solide
Bauweise und die 100%ige Achssperre an der Hinterachse machen
diesen „Lastesel“ zum robusten Geländeprofi - wenn da nicht der
Rampenwinkel wäre!
Für Arbeitseinsätze im schweren Gelände ist das Modell "XE" mit
der Achssperre ausgezeichnet geeignet, ob als Lasttier auf der
Hochalm oder im Baustelleneinsatz, es wären jedoch mind. 10cm
mehr Bauchfreiheit notwendig.
Als Reise- u. Mehrzweckfahrzeug, oder für den Alltag in der "SE"
und "LE" Ausstattung stellt der Navara für mich tatsächlich eine
neue Generation von Pickup`s dar. Er sollte jedoch eine weichere
Federnabstimmung bekommen, auch wenn die Zuladung darunter
leidet, und die optionale Achssperre verfügbar sein.
Ein Mangel ist aus meiner Sicht auf jeden Fall, dass ein so
modernes Fahrzeug derzeit ohne ESP und dem bei NISSAN so
bewährten ESP PLUS (mit TCS = Traktionskontrolle) auskommen
muss.
Verschränkungstest
Da der Navara nicht mit dem intelligenten Allradsystem, dem
„Allmode“, ausgerüstet ist, sondern einen starr zuschaltbaren
4x4 Antrieb hat, wurde der Verschränkungstest nur in der
Geländeuntersetzung gefahren.
Leichte Verschränkungen bis zu 250 mm (Diagonale) können bei
Beladung auf Grund des langen Radstandes auch ohne Schwung
überwunden werden.
Hindernisse bis 450 mm in der Verschränkung können unbeladen mit
gesperrtem Achsdifferential problemlos bewältigt werden. Bei
Beladung (im Test mit max. 500kg) wird das Fahrwerk deutlich
geschmeidiger ohne jedoch in der Verschränkung bis zum Anschlag
durchzufedern. Eine Achssperre ist beladen auch beim 450 mm
Hindernis nicht mehr erforderlich.
Bei maximaler Verwindung des Fahrzeuges verschiebt sich die
Ladefläche zur Fahrerkabine nur max. 30 mm bei 500 kg Zuladung.
Die Türen lassen sich beim „King Cab“ trotz fehlender B-Säule
leichtgängig öffnen und schließen, was durch die Stabilität des
Leiterrahmens zu erklären ist. Auf Grund der Robustheit des
Navara wird er auch bei voller Beladung im Off Road Betrieb
nicht überfordert. Nur der lange Radstand und die geringe
Bodenfreiheit trüben etwas die Freude.
Schrägfahrt
Auf Grund des niedrigen Schwerpunktes, der bereits vom
Pathfinder bekannten Spurbreite von 1570 mm, fährt sich der
Navara weit angenehmer in Schräglagen als sein Gegenstück der
NISSAN Pickup. Getestet wurden Schrägfahrten bis 40° Neigung,
sowohl unbeladen, als auch mit ca. 300kg Zuladung. Das Gewicht
in Form eines teilweise gefüllten Wassertanks auf der Ladefläche
stellt dabei eine sehr schwierige Situation dar, da bei
teilgefüllten großen Tanks zum Gewicht und des hohen
Schwerpunktes noch die „nachschwingende“ Gewichtsverteilung
hinzu kommt. Im leeren Zustand hat sich der Navara bei
Unebenheiten in der Schrägfahrt zwar als stabil erwiesen, ist
aber auf Grund des harten Fahrwerks vor allem an der Hinterachse
aus der Spur geraten und abgedriftet. Mit Beladung macht sich
die harte Federnabstimmung hier besonders bezahlt. Kein
„Durchschlagen“, weiches Überwinden der Unebenheiten und bessere
Spurtreue als unbeladen. Wenn das Fahrzeug auf Grund extremer
Schräglage bergseitig gemächlich ausfedert, wird dieser Zustand
schnell erkannt und kann so leicht korrigiert werden.
Mulden und Kuppen
Die guten Verschränkungseigenschaften und ausreichende
Böschungswinkel ermöglichen diagonales Überwinden von Mulden und
Kuppen mit ca. 450 mm Höhenunterschied. Beladen ist naturgemäss
die Traktion höher und der Bodenkontakt aller Räder länger
gegeben. So war der Einsatz der Sperre nicht erforderlich. Ein
„Aufsitzen“ mangels des bereits mehrmals angesprochenen
schlechten Rampenwinkels ist jedoch fast nicht zu vermeiden.
Gerade in solchen Situationen ist mehr Bodenfreiheit zwischen
den Achsen unbedingt erforderlich.
Steilhänge
Hat sich bei dieser Übung schon der Pathfinder wohl gefühlt, ist
der Navara hier so richtig in seinem Element. Der kräftige Motor
mit 174PS und 403Nm/2000UpM und die für hohe Nutzlasten
abgestimmte Getriebeabstimmung ermöglichen Steigungen von über
100% und werden nur mehr von der Traktion bestimmt. Die
Gasannahme erfolgt unbeladen etwas ruppig, beladen geschmeidig
aber direkt. Wenn eine Drehzahl von ca. 1200U/min gehalten wird,
fährt man den leeren Navara auch bei solchen Steigungen im
2.Gang der Untersetzung. Bei Zuladungen von bis zu 500 kg (wie
im Test), sind Steigungen von ca. 30° noch immer im Standgas zu
bewältigen. Ab ca. 400kg Zuladung hilft die elektronische
Drehzahlanhebung, die ohne Zutun des Fahrers von ca. 650 U/min
auf ca. 850 U/min regelt, um den Motor am Leben zu halten.
Leichte Verschränkungen im Steilhang werden bei Zuladungen unter
300kg jedoch schnell zum Problem, da zu wenig Traktion auf der
Hinterachse aufgebaut wird und man läuft Gefahr auch mit aktiver
Achssperre hängen zu bleiben.
Auch der Navara greift beim Bergabfahren auf keine diverse
„elektronische Assistenten“ zurück und der Fahrer bestimmt
selbst, wie gefahren wird. Die extrem „kurze“ Untersetzung hilft
dabei auch schwere Lasten sicher und gefühlvoll abwärts zu
transportieren. Wieder stellt sich die Frage über die Wahl des
1. oder 2. Ganges.
Schlamm
Der glatte Unterboden und eine gute Bodenfreiheit unter den
Achsen bieten wenig Widerstand. Solange keine
Verschränkungspassagen versteckt sind, verhält sich der Navara
ausgesprochen gutmütig. Auch mit Beladung erweist sich der
Navara als der bessere "Krabbler" als der NISSAN Pickup..
Spurrillen
Eine Bodenfreiheit von ca. 230 mm schränkt die Bewegungsfreiheit
in Spurrillen merkbar ein. Die beiden Windabweiser unter der
vorderen Stossstange sind zwar besser gelöst als beim
Pathfinder, sind aber immer noch störend. Durch die hintere
Starrachse und den langen Radstand ergeben sich aber deutliche
Vorteile gegenüber dem Pathfinder und NISSAN Pickup.
Handling
Unbeladen: Der Navara ist „bockig“ und sehr direkt in der
Gasannahme. Das erfordert Übung beim Fahren im Gelände. Durch
die direkte Lenkung und dem straffen Fahrwerk lässt sich das
Fahrzeug auch in schwierigsten Off Road Situationen leicht
fahren und man bleibt Herr der Lage. “Ebenso hatte ich bei
meinen Tests nie das Gefühl, das Fahrzeug in irgend einer
Situation überfordert zu haben, auch dann nicht, wenn ein
Weiterkommen nur mehr mit Sperre möglich war.“
Beladen: Pickup-Fahrer kennen das Fahrverhalten bei höherer
Zuladung und beschreiben dieses eher als „Sänfte“ statt Pickup.
Spätestens ab 300kg Zuladung ist man über die Abstimmung der
Federn froh. Beladen ist der Navara der beste Pickup den ich bis
jetzt gefahren bin! Dieses Lob bezieht sich auf fast alle
Geländesituationen. Kein „schwammiges“ Fahrverhalten, sondern
ein „weiches“ aber „direktes Reagieren“ auf alle Befehle des
Piloten, selbst im schweren Gelände. Bei Schrägfahrten und
steilen Abfahrten gibt es kein „übermütiges Heck“, das nach
vorne strebt, keine Verschränkungen oder Unebenheiten, wo man
glaubt das Fahrzeug bricht in der Mitte auseinander, kein
„langes Nachschwingen“ bei raschen Lastwechseln.
Einzig der wirklich schlechte Rampenwinkel von 18° trübt die
Freude am Fahren, denn man „kratzt“ fast überall am Boden.
Allgemeines
Besonders angenehm sind die hohe Sitzposition und die kantige
Karosserie. “Man hat eine sehr gute Übersicht, wie sie bei
Geländefahrten notwendig ist.“ Leider gibt es beim Navara keine
Rückfahrkamera im optionalen „Techno-Paket“, welches ab der „SE“
Ausstattung zur Verfügung steht. Gerade als Arbeitsfahrzeug im
Hängerbetrieb, mit einer max. Zuglast von 3000kg und beim engen
Rangieren im schwierigen Gelände hat sich diese beim Pathfinder
als recht hilfreich erwiesen.
Cockpit und Bedienung
In diesem Punkt kann ich nur wiederholen, was ich schon beim
Pathfinder – Test geschrieben habe, da das Innenleben identisch
ist. Lediglich bei der Basisausstattung wurden vergleichsweise
viele Details eingespart. (z.B.: keine elektr. verstellbaren
Rückspiegel) Die Instrumententafel ist übersichtlich und die
Bedienelemente sind funktionell angeordnet.
Der Rückwärtsgang ist auf Grund des 6 Gang Getriebes beim
Schaltmodell nicht immer leicht zu finden, vor allem wenn ein
Wechsel von „Vorwärts“ auf „Rückwärts“ rasch erfolgen muss (z.B.
wenn man im Steilhang hängen bleibt und kontrolliert
zurückfahren muss)
Als besonderes positives Highlight möchte ich die
Türenkonstruktion beim „King Cab“ hervorheben, denn es gibt
keine B-Säule mehr. Die im geschlossenen Zustand nicht
erkennbare 2. Türe öffnet von vorne nach hinten, was ein
Einsteigen zu den Notsitzen enorm erleichtert. Vor allem kann so
der zusätzliche Platz hinter den Frontsitzen optimal zum Be- und
Entladen genutzt werden.