Der Land Rover Discovery TDV6 HSE im Praxistest
Fast ein wenig "underdressed" kommt man sich vor, wenn man - angesichts der vorherrschenden Witterung mit Jeans und Allwetterjacke bekleidet - den Fahrersitz des neuen Discovery erklimmt. Das Topmodell zeigt sich nämlich als würdiges Mitglied des britischen 4x4-Adels, bietet seinen Passagieren standesgemäß allen nur erdenklichen Luxus und mehr als nur "gediegenes" Interieur.
17.02.2005
Mehr Fotos!

Aber auch das englische Tweed-Sakko entspräche dem Disco-Dresscode nicht - so modern und "stylish" ist der Wagen, speziell sein Innenleben, gestaltet. Adäquat wäre einzig ein Designeranzug von Armani und Co... Und ein solcher wird sich mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit im Kleiderschrank seines Besitzers finden - setzt der Kaufpreis des HSE jenseits der 60.000 Euro doch Einkommensverhältnisse voraus, die zumindest als "gehoben" zu bezeichnen sind.

Dafür erhält der stolze Käufer einen Wagen, der über eine beispielhaft vollständige Ausstattung und elektronische Helfer allermodernster Bauart verfügt, auf der Straße dank seiner Luftfederung sänftengleich über alle Widrigkeiten des Asphaltes hinwegschwebt und im Gelände - der stilistische Bruch sei erlaubt - wie die sprichwörtliche Sau geht.

Im Gelände haben wir den Discovery mit seinem innovativen "Terrain Response System" ja bereits ausgiebig getestet und in unserem Artikel vom 4.12.2004 darüber berichtet - wir waren beeindruckt, dass der noble Brite auch mit richtig, richtig schmutzigen Jobs zurecht kommt - und diese mit Bravour erledigt.

Somit sollte der Discovery diesmal einem Praxistest unterzogen werden - wir wollten ein wenig unter die Lupe nehmen, was er im automobilen Alltag alles kann.

Im Inneren des Testwagens dominierte (fast) schwarzes Leder, stilvoll "Ebony" genannt, mit dem die in Ergonomie und Bequemlichkeit überzeugenden - und natürlich vollelektrisch verstellbaren - Sitze, aber auch das Lenkrad und die Türen bezogen sind. Und weil die Atmosphäre altenglischer Clubs offenbar nicht mehr angesagt ist, verzichtet Land Rover im Discovery konsequenterweise auch auf die Verwendung von Holzapplikationen (glücklicherweise, doch das ist zutiefst subjektiv). Vergangen und vergessen sind, so nebenbei erwähnt, die Verarbeitungsmängel älterer Land Rover-Modelle - die Qualitätsanmutung im Innenraum des Neuen ist enorm.

Beim ersten Rundblick im Auto, man überblickt in der "Command"-Sitzposition die Instrumente fast perfekt, überrascht die Fülle an Knöpfen, Schaltern und Info-Displays - speziell die Konsole unter dem Radio erinnert fast schon an die Instrumentierung eines Kleinflugzeuges. Dazu kommen die diversen LCDs (ein kleiner Infoscreen unter dem Tacho, ein weiterer meldet die aktuelle Gangwahl des Automatikgetriebes, noch einer meldet den Betriebszustand des Radios) und der wunderbar große (7 Zoll = 17,78 cm)Farbmonitor des Navigationssystems. Nicht zu vergessen die dezent ins Lenkrad integrierten Knöpfchen für Radio und Tempomat, der Drehregler für das Terrain Response System, der hinter dem Automatikwahlhebel angebracht ist, die Wippschalter für die Niveauregulierung der Luftfederung und die Wahl der Getriebeübersetzung sowie der gelbe Schalter für den Bergabfahr-Assistenten HDC. Ein guter Tipp von uns an dieser Stelle: Der Discovery-Pilot ist gut beraten, sich vor der Inbetriebnahme recht intensiv mit der Betriebsanleitung zu beschäftigen und die Funktion all dieser Hebelchen und Knöpflein kennen zu lernen.

"Cabin crew ready for take-off" - der oft gehörte Spruch des Piloten der Passagiermaschine kurz vor dem Start - kommt einen in den Sinn, wenn während des Vorglühens der System-Check automatisch abläuft und mit einem "Systemprüfung im Gange" auf dem Display dokumentiert wird.

Nach Abschluss dieser elektronischen Zeremonie wirft man den aus 6 Brennräumen befeuerten Common-Rail-Diesel an - und grinst danach wie ein 18-jähriger bei der Jungfernfahrt im ersten eigenen Auto: Diese Mischung aus "british understatement", sprich exzellent geräuschgedämmtem Sound und dennoch mächtigem Grollen eines vor Kraft strotzenden, fast 200 PS starken Motors ist einfach - tja - cool. 190 PS sind es exakt, die den Land Rover-Vertriebsleuten anfänglich ein wenig Sorge bereitet haben - man fürchtete, die dafür anfallende Steuer würde potenzielle Käufer abschrecken. Unsinn. Jeder, der diesen Kraftlackel einmal gestartet hat, vergisst schnell das Sümmchen, das er monatlich dem Fiskus abzuliefern hat, weil er sich nicht mit einem Durchschnittsmotor zufrieden geben möchte.

Und Durchschnitt ist dieser Motor wahrlich nicht. Er nimmt die im Regelfall mehr als 2,5 Tonnen schwere Fuhre mehr als nur auf die leichte Schulter. Es ist spektakulär mitzuerleben, wie der Diesel das Gewicht zweier VW Golfs mit gewaltiger Kraft spielend die Straße hinunter treibt. Bei 180 km/h ist Schluss - angesichts des Lebendgewichtes des Autos eine mehr als angemessene Geschwindigkeit.

Adäquat lässig, sanft und ruckfrei schaltet dabei der 6-Gang-Automat. Will man dem Discovery doch ein wenig mehr individuelles Fahrverhalten angedeihen lassen, steht auch noch der "Command Shift"-Modus zur Verfügung, der manuelle Gangwechsel zulässt. Doch hier ermahnt plötzlich ein elektronischer Butler und verhindert ungebührliches Schalten. Soll heißen: Beliebiger Gangwechsel ist nicht. Der Butler akzeptiert ein Höherschalten erst, wenn (noch einmal sei dieses Wort strapaziert) adäquate Geschwindigkeit anliegt. Bewegt man sich also außerhalb der Norm, wird man - elegant, aber doch - einfach ignoriert. Also doch ein wenig die Atmosphäre britischer Clubs ...

Die wird sogar noch verstärkt, wenn man das - im Normalbetrieb zugegebenermaßen exzellente - Navigationssystem verwendet, um sein Ziel zu finden. Die herrliche Anekdote in diesem Zusammenhang sei dem Leser nicht vorenthalten: Die angenehme Frauenstimme des Systems gibt die Richtung vor: "Jetzt rechts abbiegen". Während man noch überlegt, ob Frauen in englischen Clubs eigentlich schon zugelassen sind, biegt man einfach so zum Spaß nach links ab, beschleunigt - und löst so eine nicht unbeträchtliche Nachdenkpause der Navi-Frau aus. Stille aus den Lautsprechern. Und dann die Überraschung, ein echter Gag: Während Navigations-Systeme in Fahrzeugen deutschen Ursprungs ein eher unfreundliches "Drehen Sie um" in die Lautsprecher bellen, säuselt die Disco-Lady völlig entspannt: "Fahren Sie etwa 2 Kilometer bis zum nächsten Kreisverkehr und nehmen Sie die dritte Ausfahrt". Beim Kreisverkehr angekommen nimmt man verblüfft zur Kenntnis, dass die 3. Ausfahrt einem Umdrehen - gleich 180 Grad - gleich kommt und die Lady so elegant, aber doch noch ihren Willen durchgesetzt hat. Doch man kann ihr angesichts so viel Toleranz und Feingefühls einfach nicht böse sein.

Doch genug der Anekdoten, zurück zum Alltag. Angesichts all des Luxus und des möglicherweise entstandenen Eindrucks eines Snob-Mobils sei verraten, dass der neue Discovery ein äußerst praxisorientiertes und - aus Sicht des Alltagsnutzers - durchdachtes Fahrzeug ist. So ermöglicht die geteilte Heckklappe - beide Teile öffnen übrigens mit elektrischer Unterstützung - eine sehr einfache Beladung des "Kofferraumes". Optional kann darüber hinaus ein ausziehbarer Boden geordert werden, der macht dies noch einfacher. Die dritte Sitzreihe, die noch immer einen gewissen Basiskomfort bietet, lässt sich mit einem genial einfachen Mechanismus völlig "spurlos" im Boden versenken. Über den hinteren Radkästen gibt es diverse Staufächer, um alle möglichen Utensilien sicher und ebenso unsichtbar zu verstauen. Wenn auch die zweite Sitzreihe umgeklappt ist, bietet der Discovery einen Stauraum von bis zu 2.500 Litern - da kann de facto kein anderer Geländewagen mithalten.

Ein wenig gewöhnungsbedürftig sind die stolzen Abmessungen des Fahrzeuges. Nicht weniger als 4,83 Meter ist der Discovery lang, über 2 Meter breit. Das kann in engen Tiefgaragen schon für das eine oder andere Schweißtröpfchen auf der Stirn sorgen - es wäre doch peinlich und teuer, den nagelneuen Nobelhobel am Parkplatznachbarn anzulehnen. Die Karosserie ist auch nicht allzu übersichtlich, die elektronische Einparkhilfe kann da ernsthaft gute Dienste leisten.

Alles in allem ist der Discovery aber ein hochmodernes, ausgereiftes, elegantes und dennoch alltagstaugliches Auto, das das Zeug zum Geländewagen des Jahres hat.

Und wenn Ihnen ein Vertreter der 4x4-Stock-und-Stein-Fraktion über den Weg fährt und Sie ob seiner Unwissenheit betreffend der Geländegängigkeit des Discovery belächelt, rücken Sie ganz einfach Ihre zum Armani-Anzug perfekt passende Krawatte zurecht, erteilen der Luftfederung den Befehl, den Wagen 24 Zentimeter über Grund zu lüpfen, werfen das Terrain Response System an und zeigen dem armen Tropf, woher der Bartl den Most holt. Ganz Land-Rover-like halt. Hoffentlich haben Sie auch ein paar Gummistiefel im Kofferraum ...

Der Land Rover Discovery III im Geländetest
 

 
 

Mehr Fotos!

 

Land Rover Discovery TDV6 HSE:
Daten und Fakten


Motor: Hochdruck-Common-Rail-Dieselmotor mit elektronisch gesteuerter, variabler Turboladergeometrie, 6 Zylinder, 2.72 Liter Hubraum, 190 PS, 440 Nm bei 1.900 U/min

Getriebe: 6-Gang-Automatik, 2-stufiges Verteilergetriebe, Untersetzung 2,93:1

Kraftübertragung: Permanenter Allradantrieb, elektronisch gesteuerte Mitteldifferenzialsperre, aktive Hinterachssperre, Terrain Response System mit 5 wählbaren Fahrprogrammen

Abmessungen (LxBxH): 4.835x2.009x1.837mm (Mindesthöhe, abhängig von der Einstellung der Luftfederung)

Radstand: 2.885 mm

Leergewicht: 2.494 kg

Anhängelast: 750 kg (ungebremst), 3.500 kg (gebremst)

Kofferraumvolumen: 1.192 l hinter 2. Sitzreihe, max. 2.558 l

Bremsen: innenbelüftete Scheibenbremsen vorne und hinten

Fahrwerk: mit elektronisch gesteuerter Luftfederung

Treibstoffverbrauch: 9,4 l kombiniert (Werksangabe)

Tankinhalt: 88 l

Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h

Ausstattung (Auszug): Tempomat, Klimaautomatik, Lederpaket, High Audio System von harman/kardon, Bi-Xenon-Scheinwerfer, Park Distance Control, 4-Kanal-ABS, elektr. Bremsassistent, Stabilitätskontrolle DSC, Aktives Überrollsystem ARM, Hill Descent Control HDC, elektronische Parkbremse, Front-, Seiten und Vorhang-Airbags

Offroad: Wattiefe 700 mm (mit Luftfederung), Bodenfreiheit onroad 185 mm, offroad 240mm, Böschungswinkel vorne bis 37,2° hinten 29,6°, Rampenwinkel bis 152,1°

Preis: € 60.219,70 inkl. MwSt. und NoVA
 

 
Text und Fotos: gelaendewagen.at
Wir danken Land Rover Austria 
für die Zuverfügungstellung des Testfahrzeuges!





 
(c) allradnews.at & gelaendewagen.at