Mehr Fotos! Aber auch das
englische Tweed-Sakko entspräche dem Disco-Dresscode nicht - so
modern und "stylish" ist der Wagen, speziell sein Innenleben,
gestaltet. Adäquat wäre einzig ein Designeranzug von Armani und
Co... Und ein solcher wird sich mit an Sicherheit grenzende
Wahrscheinlichkeit im Kleiderschrank seines Besitzers finden -
setzt der Kaufpreis des HSE jenseits der 60.000 Euro doch
Einkommensverhältnisse voraus, die zumindest als "gehoben" zu
bezeichnen sind.
Dafür erhält der stolze Käufer einen Wagen, der über eine
beispielhaft vollständige Ausstattung und elektronische
Helfer allermodernster Bauart verfügt, auf der Straße dank
seiner Luftfederung sänftengleich über alle Widrigkeiten des
Asphaltes hinwegschwebt und im Gelände - der stilistische Bruch
sei erlaubt - wie die sprichwörtliche Sau geht.
Im Gelände haben wir den Discovery mit seinem innovativen
"Terrain Response System" ja bereits ausgiebig getestet und in
unserem Artikel vom 4.12.2004 darüber berichtet - wir waren
beeindruckt, dass der noble Brite auch mit richtig, richtig
schmutzigen Jobs zurecht kommt - und diese mit Bravour erledigt.
Somit sollte der Discovery diesmal einem Praxistest
unterzogen werden - wir wollten ein wenig unter die Lupe nehmen,
was er im automobilen Alltag alles kann.
Im Inneren des Testwagens dominierte (fast) schwarzes
Leder, stilvoll "Ebony" genannt, mit dem die in Ergonomie und
Bequemlichkeit überzeugenden - und natürlich vollelektrisch
verstellbaren - Sitze, aber auch das Lenkrad und die Türen
bezogen sind. Und weil die Atmosphäre altenglischer Clubs
offenbar nicht mehr angesagt ist, verzichtet Land Rover im
Discovery konsequenterweise auch auf die Verwendung von
Holzapplikationen (glücklicherweise, doch das ist zutiefst
subjektiv). Vergangen und vergessen sind, so nebenbei erwähnt,
die Verarbeitungsmängel älterer Land Rover-Modelle - die
Qualitätsanmutung im Innenraum des Neuen ist enorm.
Beim ersten Rundblick im Auto, man überblickt in der "Command"-Sitzposition
die Instrumente fast perfekt, überrascht die Fülle an Knöpfen,
Schaltern und Info-Displays - speziell die Konsole unter
dem Radio erinnert fast schon an die Instrumentierung eines
Kleinflugzeuges. Dazu kommen die diversen LCDs (ein
kleiner Infoscreen unter dem Tacho, ein weiterer meldet die
aktuelle Gangwahl des Automatikgetriebes, noch einer meldet den
Betriebszustand des Radios) und der wunderbar große (7 Zoll =
17,78 cm)Farbmonitor des Navigationssystems. Nicht zu
vergessen die dezent ins Lenkrad integrierten Knöpfchen für
Radio und Tempomat, der Drehregler für das Terrain Response
System, der hinter dem Automatikwahlhebel angebracht ist, die
Wippschalter für die Niveauregulierung der Luftfederung und die
Wahl der Getriebeübersetzung sowie der gelbe Schalter für den
Bergabfahr-Assistenten HDC. Ein guter Tipp von uns an dieser
Stelle: Der Discovery-Pilot ist gut beraten, sich vor der
Inbetriebnahme recht intensiv mit der Betriebsanleitung zu
beschäftigen und die Funktion all dieser Hebelchen und Knöpflein
kennen zu lernen.
"Cabin crew ready for take-off" - der oft gehörte Spruch des
Piloten der Passagiermaschine kurz vor dem Start - kommt einen
in den Sinn, wenn während des Vorglühens der System-Check
automatisch abläuft und mit einem "Systemprüfung im Gange" auf
dem Display dokumentiert wird.
Nach Abschluss dieser elektronischen Zeremonie wirft man den aus
6 Brennräumen befeuerten Common-Rail-Diesel an - und grinst
danach wie ein 18-jähriger bei der Jungfernfahrt im ersten
eigenen Auto: Diese Mischung aus "british understatement",
sprich exzellent geräuschgedämmtem Sound und dennoch mächtigem
Grollen eines vor Kraft strotzenden, fast 200 PS starken Motors
ist einfach - tja - cool. 190 PS sind es exakt, die den
Land Rover-Vertriebsleuten anfänglich ein wenig Sorge bereitet
haben - man fürchtete, die dafür anfallende Steuer würde
potenzielle Käufer abschrecken. Unsinn. Jeder, der diesen
Kraftlackel einmal gestartet hat, vergisst schnell das Sümmchen,
das er monatlich dem Fiskus abzuliefern hat, weil er sich nicht
mit einem Durchschnittsmotor zufrieden geben möchte.
Und Durchschnitt ist dieser Motor wahrlich nicht. Er nimmt die
im Regelfall mehr als 2,5 Tonnen schwere Fuhre mehr als
nur auf die leichte Schulter. Es ist spektakulär mitzuerleben,
wie der Diesel das Gewicht zweier VW Golfs mit gewaltiger Kraft
spielend die Straße hinunter treibt. Bei 180 km/h ist
Schluss - angesichts des Lebendgewichtes des Autos eine mehr als
angemessene Geschwindigkeit.
Adäquat lässig, sanft und ruckfrei schaltet dabei der
6-Gang-Automat. Will man dem Discovery doch ein wenig mehr
individuelles Fahrverhalten angedeihen lassen, steht auch noch
der "Command Shift"-Modus zur Verfügung, der manuelle
Gangwechsel zulässt. Doch hier ermahnt plötzlich ein
elektronischer Butler und verhindert ungebührliches Schalten.
Soll heißen: Beliebiger Gangwechsel ist nicht. Der Butler
akzeptiert ein Höherschalten erst, wenn (noch einmal sei dieses
Wort strapaziert) adäquate Geschwindigkeit anliegt. Bewegt man
sich also außerhalb der Norm, wird man - elegant, aber doch -
einfach ignoriert. Also doch ein wenig die Atmosphäre britischer
Clubs ...
Die wird sogar noch verstärkt, wenn man das - im Normalbetrieb
zugegebenermaßen exzellente - Navigationssystem
verwendet, um sein Ziel zu finden. Die herrliche Anekdote in
diesem Zusammenhang sei dem Leser nicht vorenthalten: Die
angenehme Frauenstimme des Systems gibt die Richtung vor: "Jetzt
rechts abbiegen". Während man noch überlegt, ob Frauen in
englischen Clubs eigentlich schon zugelassen sind, biegt man
einfach so zum Spaß nach links ab, beschleunigt - und löst so
eine nicht unbeträchtliche Nachdenkpause der Navi-Frau aus.
Stille aus den Lautsprechern. Und dann die Überraschung, ein
echter Gag: Während Navigations-Systeme in Fahrzeugen deutschen
Ursprungs ein eher unfreundliches "Drehen Sie um" in die
Lautsprecher bellen, säuselt die Disco-Lady völlig entspannt:
"Fahren Sie etwa 2 Kilometer bis zum nächsten Kreisverkehr und
nehmen Sie die dritte Ausfahrt". Beim Kreisverkehr angekommen
nimmt man verblüfft zur Kenntnis, dass die 3. Ausfahrt einem
Umdrehen - gleich 180 Grad - gleich kommt und die Lady so
elegant, aber doch noch ihren Willen durchgesetzt hat. Doch man
kann ihr angesichts so viel Toleranz und Feingefühls einfach
nicht böse sein.
Doch genug der Anekdoten, zurück zum Alltag. Angesichts all des
Luxus und des möglicherweise entstandenen Eindrucks eines
Snob-Mobils sei verraten, dass der neue Discovery ein äußerst
praxisorientiertes und - aus Sicht des Alltagsnutzers -
durchdachtes Fahrzeug ist. So ermöglicht die geteilte
Heckklappe - beide Teile öffnen übrigens mit elektrischer
Unterstützung - eine sehr einfache Beladung des "Kofferraumes".
Optional kann darüber hinaus ein ausziehbarer Boden geordert
werden, der macht dies noch einfacher. Die dritte Sitzreihe, die
noch immer einen gewissen Basiskomfort bietet, lässt sich mit
einem genial einfachen Mechanismus völlig "spurlos" im Boden
versenken. Über den hinteren Radkästen gibt es diverse
Staufächer, um alle möglichen Utensilien sicher und ebenso
unsichtbar zu verstauen. Wenn auch die zweite Sitzreihe
umgeklappt ist, bietet der Discovery einen Stauraum von bis zu
2.500 Litern - da kann de facto kein anderer Geländewagen
mithalten.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig sind die stolzen Abmessungen
des Fahrzeuges. Nicht weniger als 4,83 Meter ist der Discovery
lang, über 2 Meter breit. Das kann in engen Tiefgaragen schon
für das eine oder andere Schweißtröpfchen auf der Stirn sorgen -
es wäre doch peinlich und teuer, den nagelneuen Nobelhobel am
Parkplatznachbarn anzulehnen. Die Karosserie ist auch nicht
allzu übersichtlich, die elektronische Einparkhilfe kann da
ernsthaft gute Dienste leisten.
Alles in allem ist der Discovery aber ein hochmodernes,
ausgereiftes, elegantes und dennoch alltagstaugliches Auto,
das das Zeug zum Geländewagen des Jahres hat.
Und wenn Ihnen ein Vertreter der 4x4-Stock-und-Stein-Fraktion
über den Weg fährt und Sie ob seiner Unwissenheit betreffend der
Geländegängigkeit des Discovery belächelt, rücken Sie ganz
einfach Ihre zum Armani-Anzug perfekt passende Krawatte zurecht,
erteilen der Luftfederung den Befehl, den Wagen 24 Zentimeter
über Grund zu lüpfen, werfen das Terrain Response System an und
zeigen dem armen Tropf, woher der Bartl den Most holt. Ganz
Land-Rover-like halt. Hoffentlich haben Sie auch ein paar
Gummistiefel im Kofferraum ...
Der Land Rover
Discovery III im Geländetest
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