Lara Croft lässt grüßen:
Der Land Rover Defender 110 „DCPU“im Test
Schon Lara Croft vulgo Angelina Jolie hatte ihre Freude mit einem aufgemotzten „DCPU“: Der Pickup ist einfach herrlich urig, anders, abenteuerlich, geländegängig, praktisch und unpraktisch zugleich – und erfüllt somit alle Kriterien, um ein echtes Kultauto zu sein. Der Protagonist der immer kleiner werdenden Gruppe hochgeländegängiger Fahrzeuge im Test.
31.07.2004
Ein Testbericht über den Land Rover Defender hat immer eine emotionelle Note. Weil der Wagen anders ist, mit keinem anderen Geländewagen auch nur ansatzweise vergleichbar wäre, weil er sich ungewöhnlich fährt und vom Fahrer Bereitschaft zur Anpassung fordert - und deshalb polarisiert. Die emotionelle Note in diesem Bericht begründet sich aber zugegebenermaßen auch darauf, dass der Autor jahrelang mit einem solchen Gefährt unterwegs war und viele Licht- und Schattenseiten des Verteidigers alter Geländewagen-Tugenden kennen gelernt hat.

Das war aber zu einer Zeit, als Pumpe-Düse-Motoren noch nicht erfunden waren und es auch noch keine - inzwischen ein auch schon wieder abgehaktes Kapitel der Land-Rover-Geschichte - bayerische Einflussnahme auf das Werk in Solihull gab. Eine Zeit, in der Land Rover unter einem schlechten Image litt, das primär auf die teils mangelhafte Verarbeitung der Fahrzeuge zurückzuführen war.

Die Fahrt mit dem neuen Defender war deshalb auch eine Bestandsaufnahme: Wie hat sich der Wagen in den letzten Jahren weiter entwickelt? Ist er robuster und solider geworden? Ist er noch immer so geländegängig wie früher?

Als Testfahrzeug stellte uns Land Rover Austria einen besonderen, weil recht seltenen Defender zur Verfügung: Den 110 „DCPU“. Der Double Cab Pickup bietet auf 2 Sitzreihen 5 Personen Platz und hat eine nicht allzu große, knapp über einen Meter lange Ladefläche. Das Ladegut wird von einem hübschen, aber auch aufwändigen Plane/Spriegel-System gegen Wind und Wetter geschützt. Das Reserverad ist stehend auf der Ladefläche angebracht und nimmt dort leider noch zusätzlich Platz weg. Auch die Sicht nach hinten wird dadurch kräftig eingeschränkt.

Die Farbe „Bonatti Grey“ rief Erinnerungen an den Film „Tomb Raider I“ hervor – ein so lackierter, aber gegenüber dem Basismodell deutlich modifizierter Defender war im Film Angelina Jolies ständiger Begleiter. Während des Tests mussten wir auf Anwesenheit und Fachkommentar Angelinas bedauerlicherweise verzichten. Aber man weiß ja, dass sie den Defender mittlerweile gegen einen Wrangler Rubicon eingetauscht hat, die Untreue.

Während der „Tomb Raider“-Defender, der ja auch in Österreich erhältlich war, angesichts diverser An- und Aufbauten schon ein wenig „überladen“ wirkte, präsentiert sich das Basismodell des DCPU in recht karger Ausstattung ohne jeglichen Christbaum-Schnickschnack.


Innenraum
Tja, Angelina kam also nicht zum Test … so musste der Autor zur ersten Ausfahrt also allein in den Defender einsteigen. Der Hochsitz hinter dem Volant wurde bereits viele Male beschrieben. Der Vollständigkeit halber sei hier dennoch nochmals erwähnt, dass es der Fahrer nicht allzu bequem hat. Man sitzt ziemlich eng an die Tür gepresst, das große Lenkrad sitzt fast auf den Oberschenkeln auf, links ist es nur wenige Zentimeter von der Seitenscheibe entfernt. Die Pedale sind mächtig groß und erfordern beim Betätigen einigen Kraftaufwand. Links neben der Kupplung gibt es keinen Platz, um den Fuß abzustellen. Die Fensterkurbel ist extrem tief angebracht.

Steigt man zum ersten Mal in einen Defender, heiß es, sich zuerst einmal mit dem Armaturenbrett auseinanderzusetzen, denn die Schalter und Hebel für Licht, Heizung und Gebläse sind nicht dort, wo man sie im ersten Moment vermuten würde. Auch das Zündschloss ist in alter Briten-Manier auf der linken Seite der Lenksäule untergebracht. Absolute Begeisterung lösen im sommerlichen Österreich die Entlüftungsschlitze unter der Windschutzscheibe aus: Öffnet man sie, dringt fast ungehindert der Fahrtwind ins Fahrzeuginnere, da lässt sich selbst bei hohen Temperaturen vergessen, dass (serienmäßig) keine Klimaanlage vorhanden ist. Das gibt’s in keinem anderen Auto … Sonst ist der Defender wie gesagt allerdings recht karg ausgestattet, z.B. Airbags gibt es ebenfalls nicht.

Motor/Getriebe/Fahrleistungen
Also: Zündschloss links gefunden, gestartet. Im aktuellen Defender werkt ein moderner, 5-zylindriger Pumpe-Düse-Motor mit 122 PS. Einzig das Sounddesign des Fünfers erinnert noch an alte Turbodiesel-Zeiten. Bei niedrigen Drehzahlen tuckert und nagelt er friedlich vor sich hin, beim Beschleunigen und Drehzahlen über 2.000 U/min ändert sich der Sound abrupt. Unter kräftiger Mithilfe des Turbos hört sich der 5-Zylinder dann richtig markig und kernig an. Ab ca. 3000 Umdrehungen beginnt das Aggregat hochfrequent zu vibrieren, man weiß, viel höher sollte man dann nicht mehr drehen lassen

Von der Art und Weise der Leistungsentfaltung ist der Pumpe-Düse-Motor wie geschaffen für einen Geländewagen. Das hohe Drehmoment (300 Nm ab 1.950 U/min) ermöglicht es, den Defender mit sehr niedrigen Drehzahlen und minimaler Geschwindigkeit im Gelände zu bewegen. Nötigenfalls stellt der Motor flott richtig Power zur Verfügung, um Anstiege, Schlammpassagen u.ä. problemlos zu bewältigen.

Auf der Straße reicht der 5-Zylinder aus, um den Wagen mit vernünftiger Geschwindigkeit zu bewegen und im Verkehr „mitzuschwimmen“. Spitzensportler ist er freilich keiner. Erzählen Ihnen Defender-Besitzer, sie würden schon das eine oder andere Mal 150 km/h fahren, reihen Sie sie getrost in die Reihen der Masochisten ohne Herz für ihr Auto ein. 120 km/h auf der Autobahn sind ok, alles darüber langfristig auto- und bandscheibenmordend. Ein guter Tipp an alle Defender-Raser: Fahren Sie einen Wagen immer so, wie er es will, zwingen sie ihm nie Ihre Geschwindigkeit auf. Lernen Sie den Wagen kennen und erfahren Sie, wie das Auto bewegt werden will, dann werden Sie mehr Freude am Fahren haben und auch einen Hauch vom legendären „Defender Feeling“ erleben.

Das 5-Gang-Getriebe wird mittels eines langen Schalthebels betätigt. Der trainierte Defender-Fahrer schafft dies auch spielend, trotz der - fast ein Widerspruch, aber Realität - teils teigigen, teils "hakeligen" Kulisse. Die Schaltwege sind - mit Ausnahme des 5. Ganges - aber überraschend kurz. So richtig Freude kommt auf, wenn man die Untersetzung eingelegt hat. Knackig kurz macht sie den Defender im Gelände zum Allesüberwinder. Mittels des Verteilergetriebehebels lässt sich zusätzlich auch das Mitteldifferential sperren.

„King off the Road“
So wird der Defender häufig genannt. Dies nicht zu unrecht. Motor-/Getriebekombi + die serienmäßig klassenbesten Federwege sind schon die halbe Miete für erfolgreiche Offroad-Abenteuer. Dazu kommen die gute Bodenfreiheit – die durch die am Testwagen montierten 235er-Reifen noch ein Quäntchen verbessert wird, die unter dem Rahmen fast perfekt geschützten Aggregate, die außergewöhnlich kurzen Überhänge und die „Überschaubarkeit“ des Wagens durch die eckige Karosserie.
Optional erhältlich ist für den Defender eine elektronische Traktionskontrolle in Kombination mit einem ABS. Im Testwagen war dieses System nicht installiert.

Einzige Kritikpunkte, was die Geländegängigkeit betrifft, sind der Wendekreis (14,4 m !), sowie die straßenorientierte Bereifung mit geringen Offroad-Ambitionen (Bridgestone Dueler). Da kann der Appell an Land Rover nur lauten, doch wieder den BF Goodrich A/T zur Serienbereifung zu machen. Erwähnenswert hier auch, dass die ungewöhnliche Anbringung des Reserverades die Sicht nach hinten ziemlich einschränkt – was sich auch im Gelände ungünstig auswirkt.

Schön wäre es auch, wenn man einen echten Offroader wie den Defender gleich ab Werk mit einer 100%-Sperre ordern könnte.

Doch als Abschlusssatz des Offroad-Kapitels muss einfach etwas Positives stehen: In Serienausstattung kommen dem Defender im Gelände nur sehr wenige andere 4x4 nach.

Eindrücke
Ein Fahrzeug zu testen, hat sehr viel mit Schauen, Lauschen und Lernen zu tun. Und wenn man nun über längere Zeit in verschiedenen Fahrzeugen so schaut, lauscht und lernt, neigt man eventuell dazu, ein wenig überkritisch zu sein. Also hat unsere Kritik auch vor dem Defender nicht Halt gemacht. Land Rover arbeitet sichtlich an der Verarbeitungsqualität des Defenders und verbessert diese auch kontinuierlich. Dennoch gibt es noch Mängel:

Die mit Nieten befestigte Alubeplankung ist an der Oberfläche noch immer wellig wie der Neusiedlersee – zugegebenermaßen wird es aber von Jahr zu Jahr windstiller. An den Hebeln für Heizung und Gebläse kann man sich noch immer wunderbar die Finger verletzen. Dass die Fahrertür schon am ersten Testtag nicht richtig schloss und am zweiten Tag das Türscharnier einfach heraus fiel, würden viele als typische Land-Rover-Anekdote bezeichnen (eine provisorische Reparatur war zwar möglich, Wegfahrsperre bzw. Alarmanlage waren danach allerdings beleidigt und verweigerten unter gellendem Hupkonzert 3 Mal ein Starten des Wagens).

Dennoch hat sich seit Einführung des TD5 vieles zum Positiven gewandelt, speziell der Innenraum wirkt solider, die verwendeten Materialien stabiler.

Fazit
Der Land Rover Defender ist ein Geländewagen alter Schule geblieben. Altbewährtes geht im aktuellen Modell mit Modernem eine Symbiose ein. Das Ergebnis ist ein Fahrzeug, dass offroad selbst unter extremen Bedingungen bestehen kann. Abstriche muss man auf Asphalt hinnehmen, zu geländeorientiert sind alle Komponenten des Wagens. Der DCPU selbst ist ein sehr ungewöhnlicher Pickup. UM als echter Lastesel durchzugehen, hat er eine etwas zu kleine Ladefläche, für den kommerziellen Nutzer sprechen die Fahrleistungen auch eher für die Konkurrenz aus Japan. Seinen Platz wird der DCPU überall dort finden, wo ein wirklich hartes Gerät mit Ladekapazität offroad benötigt wird, wie in der Land- und/oder Forstwirtschaft. Ansonsten ist das herrlich unvernünftige Auto für Fans der britischen Kultmarke sicher ein optimales "Funcar".

Wenn man auf dem Hochsitz eines Defenders Platz genommen hat, vergisst man angesichts des Charakters, der spürbaren Geschichte und des britischen Charmes gerne jegliche Schwäche des Wagens. Fahren Sie einfach los, bei der ersten Ausfahrt am besten auf einer wenig befahrenen Landstraße. Fahren Sie ein Tempo, das dem Defender gefällt und lassen Sie die Fahrer all der Pkws, die nur möglichst schnell von A nach B kommen wollen und für die ein Auto reines Transportmittel ist, ruhig überholen. Schenken Sie Ihnen ein wissendes Lächeln und genießen Sie die Fahrt, während der Defender an der Steigung kräftig, deutlich hörbar Luft holt und sich kraftvoll, aber doch langsamer als die Anderen, den Weg nach oben bahnt. Hinter der Steigung gibt es doch diesen Abzweiger, der sie auf einer unbefestigten Straße durch den Wald führt. Biegen Sie ab, lassen Sie den Wagen mit eingelegter Untersetzung auf dem immer schlechter werdendem Forstweg ackern. Hören, sehen und erleben Sie, wie alle Komponenten Ihres Autos arbeiten. Am Ziel angekommen, werden Sie es wissen: Ihre Entscheidung, einen Defender gekauft zu haben, war richtig. So viel auch zum Thema, dass ein Testbericht über den Land Rover Defender immer auch eine emotionelle Note hat ...
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Land Rover Defender 110 DCPU:
Daten und Fakten


Motor:
5-Zylinder-Reihenmotor, Turbolader mit Ladeluftkühlung, Diesel-Direkteinspritzung, Pumpe-Düse-Prinzip, 90 kW/122PS, max. Drehmoment 300 Nm bei 1.950 U/min, Verbrauch durchschnittlich. 10,5 l/100 km (Tankinhalt 75 Liter)

Kraftübertragung:
Permanenter Allradantrieb (50:50), Mitteldifferenzial-Sperre, 5-Gang- Schaltgetriebe mit Geländereduktion

Fahrwerk:
Schraubenfedern und Starrachsen vorne und hinten, Längslenker und Panhardstab vorne, Längslenker und „A-Frame“ hinten

Bremsen:
Scheibenbremsen vorne und hinten

Geländewerte:
Steigfähigkeit max. 45°
Bodenfreiheit 215 mm
Böschungswinkel vorne 50 °, hinten 35 °
Rampenwinkel 152°
Wattiefe 500 mm
Wendekreis 14,4m (mit 235er-Bereifung)

Abmessungen:
Länge/Breite/Höhe: 4438mm/1790mm/2059mm
Laderaum: 1025mm Länge, 1430mm Breite

Sonstiges:
Nutzlast 760 kg
Leergewicht 1955 kg
Anhängelast gebremst/ungebremst: 3500kg/750kg
Stützlast 150 kg
 
Text und Fotos: gelaendewagen.at
Wir danken Land Rover Austria 
für die Zuverfügungstellung des Testfahrzeuges!





 
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